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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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statt ihn zu lesen, zerknitterte sie ihn in ihren Händen.
    Christophorus stand unangenehm berührt und etwas unschlüssig mitten im Raum. Er hatte schon früher Menschen über den Tod eines Anverwandten in Kenntnis gesetzt, doch diesmal war es anders. Er teilte die Trauer der beiden Frauen, vermutete jedoch, dass sie ihm, da er der Überbringer der schlimmen Nachricht war, vielleicht nicht eben freundlich gesinnt sein würden. Da half es auch nichts, zu beteuern, dass er ein guter Freund Aldos gewesen war.
    Die Mutter hatte ihn mit einem derartigen Entsetzen angesehen, dass es ihm schon beim Gedanken daran schauderte. Aldos Schwester hatte noch kein Wort gesagt.
    Marysa bemühte sich, ruhig zu bleiben. Der Mann, der vor ihr stand, war ein Dominikaner. Groß, breitschultrig, mit einem herben, kantigen Gesicht, das sicherlich nicht als schön zu bezeichnen war, jedoch mehr Männlichkeit ausstrahlte, als es einem Ordensbruder anstehen mochte. Sein dichtes, fast schwarzes Haar umrandete eine bereits wieder zuwachsende Tonsur. Vermutlich hatte er sie auf der Reise nicht ausrasieren lassen, um Geld zu sparen. Die ganze kräftige Gestalt passte nicht in ihr Bild von einem Bettelmönch, dennoch hatte er sich als Bruder Christophorus vorgestellt, seines Zeichens Ablasskrämer des Heiligen Vaters.
    Und das war es, was sie am meisten verwunderte. Aldo hätte sich doch niemals mit einem Mönch angefreundet, schon gar nicht mit einem, der Ablassbriefe verhökerte! Aldo hatte den Ablasshandel stets als verwerflich angesehen, eine Ansicht, die Marysa aus tiefstem Herzen teilte. Außerdem waren die Dominikaner der verlängerte Arm der Inquisition, das wusste jeder, und Aldo hätte sich so weit wie möglich von einem Vertreter dieses Ordens ferngehalten. Nicht nur wegen seiner ans Ketzerische grenzenden Ansichten über den Ablasshandel, sondern auch …
    Sie hob den Kopf und sah dem Dominikaner fest in die Augen. «Wie ist das möglich? Ihr sagt, Aldo wurde in einem Kampf verwundet. Welchen Grund sollte mein Bruder gehabt haben, sich mit irgendwem zu schlagen? Er war ein friedfertiger Mensch. Wie hätte er jemandem einen Vorwand geben sollen, ihn anzugreifen?»
    «Marysa, lass doch», kam es mit leiser Stimme von ihrer Mutter, die sich mit dem Ärmel ihres Kleides ein ums andere Mal über die Augen wischte. «Der Bruder wird müde sein und sich setzen wollen. Außerdem ist er nach der langen und beschwerlichen Reise sicherlich hungrig. – Seid Ihr hungrig, Bruder Christophorus? Wir sollten ihm etwas zu essen bringen lassen und … Er war doch immerhin ein Freund von Aldo, und er hat den langen Weg auf sich genommen …»
    «Und woher wissen wir, dass es sich tatsächlich so verhält?» Marysa blickte ihre Mutter finster an. «Können wir sicher sein, dass er uns die Wahrheit sagt?» Sie stand auf und trat einen Schritt auf Christophorus zu. «Ihr habt uns diese Briefe und Aldos Hab und Gut gebracht. Dafür danke ich Euch. Doch Ihr müsst verzeihen, wenn ich daran zweifle, dass mein Bruder Euch in irgendeiner Form verbunden war. Was wollt Ihr hier, Bruder Christophorus?»
    Er wich dem forschenden Blick aus ihren leuchtend grünen Augen nicht aus. Zwar hatte er erwartet, dass man ihm mit Misstrauen begegnen, jedoch nicht, dass ihn das so schmerzen würde.
    «Nun?» Marysa hob auffordernd die Brauen.
    «Ich verstehe Euren Schmerz und dass Ihr mir nicht traut», begann er. «Ihr kennt mich nicht, und der Umstand, dass ich Euch vom Tode Eures Bruders berichten musste, lässt mich in keinem günstigen Licht erscheinen. Doch welchen Grund, wenn nicht Freundschaft, sollte ich haben, den weiten Weg von Santiago de Compostela hierherzureisen? Ich gab Aldo Schrenger das Versprechen, Euch aufzusuchen, die Briefe und seine Habseligkeiten auszuhändigen. Und ich versprach ihm, mich um Euch und Eure Mutter zu kümmern.»
    «Ihr … was?» Marysas Augen weiteten sich, und sie starrte ihn verblüfft an.
    Christophorus verzog keine Miene. «Ich gelobte ihm an seinem Totenbett, mich um Euch zu kümmern und dafür zu sorgen, dass es Euch wohl ergeht. Kurz vor … dem Vorfall, bei dem er verletzt wurde, erfuhr er vom Tode seines – Eures – Vaters. Er machte sich umgehend auf den Heimweg, denn er wusste um die Schwierigkeiten, die Euch wegen seiner Abwesenheit durch Euren Vetter Hartwig drohen würden.» Er schwieg und schien zu warten, bis dieser Teil der Botschaft angekommen war.
    Marysa schluckte. Natürlich hatte Aldo geahnt, dass Hartwig nach

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