Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
Treppenstufe an der Hauswand. Manche erkannte Philip wieder, sie waren ihm schon im Blumenbeet seiner Mutter begegnet, andere waren ihm vollkommen fremd. Oben, vor der Doppelflügeltür, drehte er sich noch einmal um und sah in den quadratischen Hof, der jetzt, am frühen Nachmittag, zu einem Drittel im Schatten der westlichen Mauer lag.
„Guten Tag der Herr“, grüßte plötzlich eine kühle und beherrschte Männerstimme hinter ihm.
Philip fuhr erschrocken herum und sah geradewegs in das schmale, nichtssagende Gesicht eines Hausdieners.
„Die Damen erwarten Euch im Salon. Wenn Ihr mir folgen wollt.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und ging in die Eingangshalle hinein. Philip folgte ihm. Mit staunenden Augen sah er sich in der riesig wirkenden Halle um. An der Decke baumelte ein Kronleuchter von märchenhaften Ausmaßen. Eine breite Treppe führte aus der Mitte der Halle nach oben, teilte sich auf halber Höhe des Raumes vor einem wandfüllenden Gemälde und führte in entgegengesetzter Richtung ins nächste Stockwerk.
Der Hausdiener huschte beinahe lautlos an der Treppe vorbei zu einer der dunklen Holztüren. Philip hörte seine eigenen Stiefel laut über den glänzenden Steinboden klackern. Er bemühte sich diese Geräusche zu dämpfen, doch dadurch vergrößerte sich sein Abstand zu dem Diener noch mehr. Als er an der Treppe vorbei kam, blieb sein Blick an dem schlangenähnlich geschnitzten Handlauf hängen. Er hörte, wie der Hausdiener an die wuchtige Tür klopfte. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie er die Türklinke, die in etwa auf der Höhe seiner Nasenspitze war, hinunter drückte. Aber es gelang Philip nicht, sich von dem Anblick des doppelzüngigen Monsters zu lösen, das ihm vom Ende des Treppengeländers entgegen starrte.
„Euer Gast ist da“, sagte der Diener und trat zur Seite. Philip hob den Blick und sah geradewegs in die Gesichter zweier Frauen, die ihn erwartungsvoll musterten. Eilig riss er sich von dem Anblick des Lindwurms los und betrat verlegen den lichtdurchfluteten Raum.
Auf den Lippen der jüngeren Frau spielte ein spöttisches Lächeln, das ihm das Blut in die Wangen trieb. Steif verbeugte er sich.
„Guten Tag. Mein Name ist Philip Gordinian. Baron von Wildmoortal schickt mich, um Euch sicheres Geleit zu seinem Haus zu bieten.“ Seine Stimme flatterte und er wagte es nicht, den Blick zu heben, um zumindest einer der beiden Frauen in die Augen zu sehen. Er wusste auch nicht genau, welche er ansprechen sollte, denn er hatte nicht damit gerechnet, hier auf zwei Frauen zu treffen. Welche von ihnen war die Gräfin von Weiden? Die ältere schätzte Philip in Graf von Weidens Alter, aber Amilana hatte einmal angedeutet, dass der Graf die Gesellschaft jüngerer Frauen bevorzugte. Es war also nicht ausgeschlossen, dass er eine junge Frau geehelicht hatte.
„Setzt Euch zu uns, Philip“, sagte die Ältere und machte dem Bediensteten ein Zeichen einen Stuhl herbeizuschaffen. „Dürfte ich Euch eine Tasse Tee anbieten, und ein wenig Gebäck?“
Noch ehe Philip antworten konnte, stellte ein schmales Mädchen in einem hochgeschlossenen grauen Kleid eine sehr zerbrechlich aussehende Tasse aus feinstem Porzellan auf einen niedrigen Beistelltisch. Ein Stuhl wurde für ihn herbeigetragen, während das Mädchen ihm eine golden schimmernde Flüssigkeit einschenkte und ihm einen scheuen Blick unter ihrer weißen Haube hervor zuwarf.
„Ich bin sehr erfreut, Euch kennen zu lernen. Wir haben in den letzten Wochen des Öfteren von Euch gehört.“ Die Ältere musterte Philip genau.
„Die Freude ist ganz meinerseits“, antwortete er und merkte, dass er schon wieder rot wurde.
Die junge Frau kicherte verhalten. Philip wurde ganz warm vor Verlegenheit und Ärger.
„Arina!“, zischte die Ältere mahnend.
Arina, den Namen hatte Philip bereits gehört. Arina war die Tochter des Grafen von Weiden. Jemand hätte ihm sagen müssen, dass sie erwachsen war. Auch ohne sie anzusehen, wusste er, dass sie immer noch grinste.
„Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise“, sprach die Gräfin. „Edgar, der Hausdiener wird Euch später das Gemach zeigen, in dem Ihr die kommende Nacht verbringen werdet. Ich hoffe, Ihr speist heute Abend mit uns.“
„Wenn Ihr es wünscht, Herrin“, stammelte Philip. Er hätte damit rechnen sollen, dass so etwas geschehen konnte, doch das hatte er nicht. In seiner Tasche befand sich keine angemessene Kleidung für ein Abendessen mit zwei
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