Die Stadt der schwarzen Schwestern
Kette mit den Lippen. «Großer Gott, ich habe die Gesichter dieser Männer zwar nie zuvor gesehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es waren, die meine Mitschwestern auf Gut Elsegem getötet haben. Ich bete dafür, dass sie Erlösung und Vergebung für ihre Schandtaten finden. Aber erst nach einigen hundert Jahren im Fegefeuer.»
«Ich vermute, Rinks Handlanger haben sich hier unten verborgen gehalten. Es war für den Drucker leicht, ihnen mit dem Essen und dem Wasser, das er ihnen brachte, Gift einzuflößen. So war er die Sorge los, sie könnten etwas ausplaudern oder ihn eines Tages erpressen.»
Während Don Luis mit seiner Mutter Decken über die Toten breitete, schaute sich Griet in dem Gewölbe um. Sie fand eine weitere Falltür im Boden, die derjenigen ähnelte, durch die sie im Keller des Statthalterhauses eingestiegen waren. Ihr Herz klopfte, als sie an dem Ring zog und die Tür öffnete. Dahinter befand sich ein Schacht, der zu einem tiefer liegenden Raum führte.
Griet überlegte, wie sie es anstellen sollte, hinunterzusteigen. Da hörte sie ein Wimmern und eine Stimme, die etwas zu flüstern schien. Verzerrt vom Hall der Felsenwände, klang das Gemurmel unheimlich. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und rief in den Schacht hinunter.
Einige Herzschläge lang geschah nichts. Keine Antwort, selbst das sonderbare Wimmern verstummte. Doch dann erschien unvermittelt ein abgezehrtes, bärtiges Gesicht unter der Falltür. Ein Mann, der die Augen weit aufriss und ihr die Arme entgegenstreckte. Es war Griets Vater.
«Erbarmen», krächzte der Mann. «Lasst uns raus. Wir sterben!»
Griet schluchzte auf. Am liebsten wäre sie sofort durch die Falltür hinunter in die Kammer gesprungen, aber es war zu tief. «Vater», stieß sie hervor, wobei sie Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten. «Ich bin es, Griet. Don Luis und eine Freundin sind bei mir. Haltet aus, wir holen euch herauf. Ist Basse bei dir?»
Der alte Mann brach in hysterisches Gelächter aus. Die Gefangenschaft in dem Loch schien seinen Geist durcheinandergebracht zu haben, Griet musste ihre Frage noch dreimal wiederholen, bevor Sinter ihr bestätigen konnte, dass Basse am Leben war. Er schlafe, sei jedoch kaum noch wach zu bekommen.
«Ich muss zu ihnen hinunter», rief Griet. Hastig erkundigte sie sich bei ihrem Vater, ob er etwas sehe, was ihr dabei helfen konnte, aber der Alte schüttelte nur den Kopf. Es gab eine Leiter, deren Sprossen zerbrochen waren. Außerdem war er zu geschwächt, um sie zu bewegen.
Griet griff sich eines der Seile, die zu ihren Füßen lagen, und knotete es sich um den Bauch. Don Luis hätte sich lieber selbst abgeseilt, doch er sah ein, dass er Griet nicht würde zurückhalten können.
«Beeilt euch, um Himmels willen», drängte die Stimme ihres Vaters. «Der Mann hat zwar gesagt, er werde nicht mehr kommen und uns dem Schicksal überlassen, aber ich traue ihm nicht.»
Griet verzog das Gesicht. Sie traute ihm auch nicht, aber dieser Mann würde sie nicht daran hindern, ihr Kind aus diesem Schattenreich zu befreien. Niemals.
Vorsichtig ließ Don Luis sie hinabgleiten. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis ihre Füße den Boden berührten und sie Sinter bei der Hand nehmen konnte.
«Wo sind Basse und Beelken?»
Sinter nickte ihr ganz leicht zu. Er hatte sich wieder so weit gefangen, dass er Griet führen konnte. «Es ist nicht weit», flüsterte er. «Ich habe versucht, was ich konnte, das musst du mir glauben. Aber was verstehe ich von diesen Dingen? Isabelle, ja, die hätte Bescheid gewusst. Aber doch nicht ich …»
Und dann sah sie es vor sich: ein aus schmutzigen Ziegenfellen und schäbigen Decken bereitetes Lager. Der säuerliche Gestank von Schweiß, Kot und Urin schwebte wie eine schwere Wolke über ihren Köpfen. Griet stürzte auf Basse zu, umschlang ihn mit ihrem Arm und bedeckte sein Köpfchen mit Küssen. Der Junge blinzelte kurz, murmelte etwas, dann schlief er wieder ein.
Zeitgleich setzte das klägliche Wimmern erneut ein. Als Griet den Kopf bewegte, erkannte sie, woher die rätselhaften Laute kamen. Keine fünf Schritte von ihr entfernt schmiegte sich ein Neugeborenes an Beelkens Brust und trank mit geschlossenen Augen. Es konnte kaum mehr als zwei Tage alt sein. Griet stieß die Luft aus. Das Kind, Beelkens Kind, war also hier zur Welt gekommen, genauer gesagt: unter die Welt. Von Mitleid erfüllt, kniete sie sich neben ihre junge Magd auf die Erde und griff nach ihrer Hand. Sie war
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