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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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sich fügen würde, anstatt nach Kind und Vater zu suchen. Griet war davon überzeugt, dass Rinks Augen inzwischen die ganze Stadt kontrollierten. Nachdem de Lijs ihm einen Platz im Schöffenrat verschafft hatte, konnte er auf Büttel und Stadtwachen zurückgreifen, die seine Anordnungen ganz sicher nicht in Frage stellten. Liefen sie gerade blindlings in ihr Unglück?
    Griet steckte so tief in Gedanken, dass sie gar nicht bemerkte, wie Don Luis und Cäcilia vor ihr stehenblieben. Ihr Vater, der die Nachhut bildete, rempelte sie ebenfalls an.
    Don Luis schüttelte ungläubig den Kopf, während er auf einen gewaltigen Haufen Geröll blickte, der ihnen den Weg versperrte.
    Die Erschütterung, schoss es Griet durch den Kopf. Sie hatte sie gespürt, aber nicht damit gerechnet, dass sie Teile des Gangs zum Einsturz bringen würde.
    Don Luis fluchte leise auf Spanisch vor sich hin. Sie waren so weit gekommen, nur um jetzt durch Geröll aufgehalten zu werden. Verbissen stürzte er sich auf die Steinbrocken, bewegte auch einige von der Stelle, doch es waren zu viele. Die meisten saßen viel zu fest, als dass man sie hätte beiseiteschieben können.
    «Der Gang wurde absichtlich zum Einsturz gebracht», sagte er hustend. Die Luft war voller Staub und Sand. «Es gibt hier mehrere Schichten von Gestein, die recht locker sitzen. Der Weg zum Keller des Statthalterhauses ist uns damit versperrt. Wir werden umkehren und einen anderen Ausgang suchen müssen.»
    Er sah Griet an, die das schlafende Kind in der Armbeuge hielt. In seinem Blick lagen Sorge und Zärtlichkeit. Er wollte ihr den Mut nicht nehmen, aber seine Augen verrieten die Angst davor, hier unten zu ersticken. Griet erwiderte seinen Blick. Sie verstand, dass er sie aufmuntern wollte, ohne den Ernst der Lage zu verschweigen. Fanden sie keinen Ausweg, würden sie hier unten sterben. Das konnte der Drucker allerdings kaum wollen, da dann auch das Buch für ihn verloren war. Oder kannte er Schleichwege, die ihnen bislang entgangen waren? Vielleicht wollte er warten, bis sie …
    «Dieser Wahnsinnige weiß ganz genau, dass wir hier sind», sagte Cäcilia resigniert. «Hätte ich doch noch die Zeit gefunden, Tobias zu verständigen.»
    «Auch Uta kennt unsere Pläne», gab Griet zu bedenken. Allerdings erwartete sie von dieser Seite keine Hilfe. Voller düsterer Gedanken starrte sie auf das zerklüftete Felsgestein vor ihnen. Rink hatte sie in eine Falle gelockt, aber er konnte nicht wollen, dass sie hier unten starben. Sein Plan sah vermutlich vor, sie in seine Druckerei zu locken, wo er wie eine Spinne im Netz auf sie wartete.
    «Zwei Fluchtwege existieren nicht mehr», sagte sie. «Der Gang zum Rathaus wurde schon vor Jahrzehnten zugeschüttet, und nun ist auch das Haus der Vögte nicht mehr zu erreichen. Dagegen vermute ich, dass wir den Tunnel, der in Rinks Druckerei endet, frei vorfinden werden.»
    «Dann lasst uns den Gang nehmen», rief Griets Vater plötzlich in einem Anfall von Verzweiflung. «Ich halte es hier unten nicht mehr aus. Diese Enge, der Staub und der Gestank. Ich kann nicht mehr atmen. Dazu diese Bestien, die mit dem Kopf nach unten auf uns lauern. Seht ihr sie nicht? Sie schlafen nicht, sie starren uns an.» Er wischte sich mit seinem Ärmel den Schweiß von der Stirn. «Wir können doch verhandeln. Man muss doch mit dem Kerl vernünftig reden können!» Er machte kehrt und verschwand in der Dunkelheit. Wenige Augenblicke später waren seine Schritte verklungen.
    «Verdammt», knurrte Don Luis. «Dieser alte Narr läuft geradewegs in sein Verderben. Rink wird ihn abschlachten wie einen tollen Hund!»
    Der Spanier versuchte Sinter zu folgen, doch da er sich zuerst an Griet mit den Kindern und an Cäcilia vorbeischieben musste, war dies eine aussichtslose Sache. Sinter mochte geschwächt sein, aber die Gänge waren viel zu unübersichtlich und dunkel, um ihn zu finden. Nach einer kurzen Suche gab Don Luis auf und kehrte zu den Frauen zurück.
    «Nun können wir nur noch beten, dass wir den Gang finden, der zur Kirche führt», sagte Cäcilia. «Und dass sich der Zugang dort ebenso öffnen lässt wie die Falltür im Haus des Statthalters. Womöglich befindet er sich in der Krypta und wird seit Jahrhunderten von einer schweren Grabplatte bedeckt.»
    Vorsichtig tasteten sie sich den schmalen Gang hinunter, bis er nach einer Weile eng wie ein Flaschenhals wurde. Griet spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Doch da

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