Die Stadt der schwarzen Schwestern
die sich auf wundersame Weise erfüllt hatten.
Früh am nächsten Morgen, als in der Burg noch alle schliefen, schnürte sie ihr Bündel und schlich damit aus der Kammer. Im verschneiten Hof warteten schon Dotteres und ihre Kinder auf sie, frierend, aber die Taschen voller Leckerbissen. Die stumme Wilhelmina hatte ein großes Stück Schinken in der Hand. Die kleine Familie hatte sich von den Resten des Festmahls bedient.
«Das richtige Wetter für eine Reise an den Rhein, was?», murrte Dotteres. Sie warf einen sehnsüchtigen Blick hinauf zu den Butzenscheiben, hinter denen der große Saal der Burg lag.
Cäcilia lächelte. «Die Fürstin würde euch auch nach Italien mitnehmen. Das hat sie mir versprochen. Dort ist es wärmer als hier. Auf den Bäumen wachsen Zitronen und Orangen. Und dein kleiner König würde endlich einmal etwas Vernünftiges lernen.»
Der Junge schnitt eine wilde Grimasse und schüttelte sich. Dann stapfte er mit sichtlichem Vergnügen durch den Schnee auf das Tor zu und winkte den anderen, ihm zu folgen.
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Nachwort des Autors
An der Schwelle vom Mittelalter zur frühen Neuzeit bildeten die nördlichen und südlichen Provinzen der Niederlande ein Gebiet, das mit seinen prächtigen Städten durch Handel und Handwerk, aber auch dank der schönen Künste in höchster Blüte stand. Als Erblande waren sie bereits im 15. Jahrhundert von Burgund an das Haus Habsburg gefallen. Kaiser Karl V. von Habsburg, selbst im niederländischen Gent geboren, verstand es noch, den selbstbewussten Kaufleuten und Künstlern ein Gefühl von Sicherheit zu geben, indem er ihre alten Privilegien bestätigte und den Handel förderte. Doch dann begann die Reformation und verursachte einen wahren Sturm neuer Gedanken und Bekenntnisse, der bald auch über den Norden der Niederlande und das südliche Flandern und Brabant fegte. Bilderstürmer plünderten Kirchen und zerstörten Kunstschätze, die Inquisition verfolgte und verurteilte unnachgiebig all jene, die im Verdacht standen, der Lehre Luthers oder Calvins, die in den Niederlanden auf besonders fruchtbaren Boden fiel, zu folgen. Begabte Kunsthandwerker und Kaufleute verließen in Scharen das Land. Unter Philipp II. von Spanien, der seinem Vater Kaiser Karl V. nachfolgte, brach schließlich ein Aufstand gegen ihn und seine spanischen Truppen aus, der sich rasch zum Bürgerkrieg ausweitete. Philipp ließ seine Halbschwester Margarethe von Parma, die als gemäßigte, aber hilflose Statthalterin galt, durch den spanischen Herzog von Alba ersetzen, der den aufständischen Niederländern mit Waffengewalt begegnete und Tausende hinrichten ließ. Einige niederländische Adelige, darunter Wilhelm von Oranien, leisteten erbitterten Widerstand gegen Alba und seine Nachfolger, unter ihnen Alessandro Farnese. Es entstanden überall im Land Widerstandsgruppen zu Land und zur See, welche die spanischen Truppen bekämpften. Was folgte, war ein achtzig Jahre dauernder Krieg, der mit Unterbrechungen bis 1648 geführt wurde und das einstmals blühende Land an der Nordsee spaltete. Die nördlichen, mehrheitlich protestantischen Provinzen erklärten 1581 ihre Unabhängigkeit, die südlichen, wie Flandern, blieben nach ihrer Unterwerfung durch Farnese bei Spanien. Sie gingen unter dem Begriff spanische Niederlande in die Geschichte ein, eine Region, die heute zu Belgien gehört.
Die Stadt Oudenaarde in Ostflandern wurde tatsächlich im Sommer 1582 von Alessandro Farnese erobert, ihre protestantischen Bewohner mussten wieder die katholische Messe besuchen und die Besatzungsmacht ertragen. Der Rat, der Farnese die Stirn geboten hatte, wurde abgesetzt, allerdings fand die Hinrichtung der Ratsherren so vermutlich nicht statt. Margarethe befand sich zu diesem Zeitpunkt in Namur und wartete darauf, dass ihr König Philipp von Spanien erlaubte, sich wieder nach Italien zurückzuziehen. Sie war der Kämpfe und des Streits müde geworden und sehnte sich danach, endlich keine Verantwortung mehr tragen zu müssen. Dass sie in Oudenaarde als Tochter eines Dienstmädchens zur Welt kam, mit dem Kaiser Karl während eines kurzen Aufenthalts in der Stadt eine stürmische Liaison hatte, ist durch historische Quellen verbürgt. Zu ihrer Mutter, die, wie im Roman erwähnt, in Brüssel adelig verheiratet wurde, untersagte ihr der kaiserliche Hof schon als Kind jeden Kontakt. Die Kaisertochter sollte höfisch erzogen und nutzbringend für das Habsburgerreich verheiratet werden.
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