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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Gürtelbeutel öffnete und eine Münze auf den Tisch legte.
    «Ihr solltet zum Herrenhaus gehen», schlug sie zögerlich vor. «Unser Grundherr Gilles van Aubrement ist allerdings erst vor zwei Tagen von einer Reise nach Löwen zurückgekehrt, wo sein Sohn studiert. Das Unglück traf den Ärmsten daher völlig unvorbereitet. Ob er Euch die Tür öffnen wird, ist fraglich. Er ist ein komischer Kauz, der in einer Dachstube haust und dort nachts Bücher liest. Im Dorf lässt er sich kaum jemals blicken, deshalb haben die Kinder Angst vor ihm, wenn sie ihm doch mal begegnen. Aber seit ich dieses Gasthaus betreibe, hatte ich noch nie Grund, über ihn zu klagen. Er ist ein milder Herr.»
    «Warum meldete er den Tod der sieben Frauen nicht sogleich?», wollte Don Luis wissen. «War eine der Nonnen nicht eine Angehörige der Grundherrenfamilie?»
    Die Wirtin schnaubte. «Bernhild, meint Ihr? Die hat schon seit Jahren niemand mehr gesehen. War genauso wunderlich wie ihr Vetter, der alte Gilles. Keine Ahnung, warum der die Sache nicht meldete. Wozu auch? Die Frauen wurden auf einer Reise krank, schleppten sich noch bis zum Herrenhaus und starben dort. Kein Wunder. Die schwarzen Schwestern pflegen doch Pestkranke und Aussätzige. Es war nur eine Frage der Zeit, wann eine Seuche auch sie dahinraffte.»
    «Das ist Unsinn», brauste Griet auf. «Selbst wenn sie erkrankt sein sollten, so werden doch wohl nicht alle sieben auf einmal gestorben sein. Wo wurden sie bestattet?»
    «Na wo schon?» Die Wirtin vollführte eine knappe Kopfbewegung in Richtung Küche, doch sie meinte wohl den Gottesacker, der hinter der Kirche lag.
    «Pater Benedikt sprach die Leichenpredigt und weihte die Gräber», sagte sie anschließend. «Mehr weiß ich aber nicht, Ihr könnt Euer Geld also im Beutel lassen. Und warum der alte Herr Gilles den Tod der Ordensfrauen nicht meldete, kann ich nicht sagen. Ist mir auch egal, das ist schließlich seine Sache. Auch wenn die Spanier im Land sind, schulden wir doch in erster Linie dem Herrn van Aubrement Gehorsam. Und der ist ein treuer Diener des Königs und der heiligen Kirche.»

    «An einer Seuche gestorben, pah!» Griet konnte es kaum erwarten, die stickige Schankstube zu verlassen. Das gute Essen lag ihr plötzlich wie ein Stein im Magen. «Die Leute hier stellen sich blind und taub, damit sie nicht in Dinge hineingezogen werden, die ihnen unangenehm sind.»
    «Werft Ihr ihnen das vor?», fragte Don Luis. «Auf dem Land ist es schon seit Jahrhunderten so. Die Bauern und Taglöhner entrichten dem Grundherrn ihre Abgaben, dafür regelt er alle Belange auf seinen Gütern. Ihm obliegt auch die Gerichtsbarkeit in den Dörfern seiner Herrschaft, sofern keine schwerwiegenden Verfehlungen vorliegen. Nach altem flämischen Brauch darf er allein entscheiden, wie mit dem Fall zu verfahren ist.»
    Griet verstand, was Don Luis meinte, doch sie war noch immer gereizt. «Ich weiß, Ihr seid ein Mann des Rechts. Am besten überlasse ich es dann Euch, mit diesem Grundherrn zu reden. Wenn er wirklich ein treuer Diener König Philipps ist, könnt Ihr Euch sogar als Spanier und Abgesandter des Statthalters zu erkennen geben. Vielleicht hilft das seinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge.»
    Don Luis erwiderte nichts darauf. Seit seinem Gefühlsausbruch im Haus des Müllers hatte er sich zwar wieder gefangen, doch Griet kannte ihn bereits gut genug, um zu wissen, dass er ihr etwas verheimlichte. Er wirkte bedrückt.
    Sie drehten gemeinsam eine Runde durch das Dorf, das der Nacht entgegendämmerte. Der Dorfplatz besaß neben einigen Pferdetränken auch einen überdachten Brunnen von beachtlicher Größe, den ein Marienbildnis schmückte. Winterblumen lagen davor auf der Erde. Die Leute, die hier lebten, schienen in der Tat fleißig und fromm zu sein. Griets Blick fiel auf Häuser und Scheunen, die einen ordentlichen Eindruck machten.
    «Der Ort sieht nicht so aus, als würde der Grundherr nur über seinen Büchern brüten», meinte Don Luis anerkennend. «Er wirkt auf mich keineswegs vernachlässigt. Und Kriegsvolk scheint hier auch lange nicht gewütet zu haben. Vermutlich hat Farneses Heer das Dörfchen ebenso links liegen lassen wie Horebeke. Das zeigt mir, dass die Herren van Aubrement es tatsächlich mit dem König halten und treu zur Kirche gehen. Die Wirtin erwähnte doch einen Priester, der hier die Messe liest.»
    Griet blieb stehen. «Vielleicht würde Alessandro Farnese das Wort des Grundherrn gelten lassen»,

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