Die Stadt der schwarzen Schwestern
Überraschung hatte er den einfachen Leinenkittel, den er seit Antritt ihrer Reise nicht abgelegt hatte, gegen ein elegantes nachtblaues Wams eingetauscht, das an beiden Ärmeln gebauscht und mit Silberfäden durchwirkt war. Seine schwarzen Stiefel glänzten; er musste sie geputzt haben, während Griet gefrühstückt hatte. Griet fand ihn sehr stattlich, was man von ihrer eigenen Kluft nicht behaupten konnte. Ihr rotbrauner Rock war am Saum zerrissen, der wollene Umhang noch immer feucht.
«Wie ich sehe, wollt Ihr dem Grundherrn van Aubrement nicht in der Aufmachung des flämischen Wanderkrämers gegenübertreten», sagte sie spitz. «Dann bleibt für mich wohl wieder nur die Rolle der Leibmagd übrig.»
«In der Ihr perfekt wärt, wenn Ihr mir auch eine Schale von diesem köstlichen Brei besorgen könntet», erwiderte Don Luis lachend. «Und vielleicht einen Becher Bier? Mir knurrt der Magen.»
Griet seufzte. Aber sie sorgte ohne Widerspruch dafür, dass Don Luis ein Frühstück bekam, bevor sie aufbrachen. Was war nur los mit ihr? Es erschien ihr ganz natürlich, sich um ihn zu kümmern, so, wie sie sich jahrelang mit mäßigem Erfolg bemüht hatte, Willem eine gute Ehefrau zu sein. Das sanfte Lächeln, das er ihr schenkte, empfand sie als ausreichenden Lohn dafür. Lag es vielleicht an seiner ritterlichen Gewandung? Keine Frage, diese machte Eindruck auf sie. Beinahe widerwillig musste sie sich eingestehen, dass sie inzwischen jeden Augenblick ihres Zusammenseins auf eine befremdliche Weise genoss, und sie fragte sich, wie sie es ertragen sollte, wenn sie nach ihrer Rückkehr in die Stadt wieder getrennte Wege gingen.
«Ihr seid schon wieder abwesend!»
Griet schreckte hoch. «Bitte …»
«Darf ich erfahren, wo Ihr mit Euren Gedanken seid?», beklagte sich Don Luis, wie er es manchmal zu Hause tat, wenn sie im Kontor waren. «Ich sagte, dass wir uns auf die Suche nach den Reisewagen der Nonnen machen sollten. Die müssen doch noch irgendwo sein.»
«Ihr habt recht. Außerdem gab es da doch einige Knechte der Margarethe von Parma, die den Zug der Nonnen begleiteten. Wie lässt sich ihr Verschwinden erklären? Auch durch eine Seuche?»
«Wohl kaum.» Don Luis leerte seinen Becher, dann erhob er sich. «Kommt, wir werden uns dieses Herrenhaus etwas genauer anschauen.»
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Kapitel 19
Oudenaarde, November 1582
«Heraus mit der Sprache! Wo steckt deine Herrin?»
Beelkens Nacken versteifte sich vor Aufregung. Die Angst vor den beiden Männern, die nach dem Mittagsläuten plötzlich im Pförtnerhäuschen aufgetaucht waren und wie Plünderer in Griets Sachen herumwühlten, lähmte sie so sehr, dass sie es nicht einmal fertigbrachte, zur Tür zu laufen und die Nachbarn herbeizurufen. Ob man ihr Beistand leisten würde, war allerdings fraglich, denn ihre ungebetenen Gäste gehörten zu den angesehensten Familien der Stadt. Beelken kannte sie nur vom Sehen, aber sie wusste, dass es Adam und Coen waren, die Söhne des hingerichteten Bürgermeisters.
Adam ließ den Deckel der großen Aussteuertruhe fallen, die er soeben durchsucht hatte. Abschätzig wandte er sich wieder Beelken zu. «Ich glaube, du hast mich nicht verstanden, Mädchen», sagte er drohend. «Deine Herrin, diese spanische Hure, ist mit einem von Farneses Leuten auf und davon. Aber dir und ihrem Vater wird sie doch gewiss geschrieben haben.»
Beelken brachte keinen Ton heraus. Ihre Zunge schien wie gelähmt. So brachte sie nur ein schwaches Kopfschütteln zustande.
«Nein?», fragte Adams Bruder. Er gab sich freundlicher als Adam, verständnisvoller. Sogar ein kleines Lächeln schenkte er Beelken. Sein Blick wanderte zu ihrem gewölbten Bauch. Nur wenige Monate blieben noch, dann würde sie niederkommen. Doch momentan machte ihr Zustand sie angreifbar. Coen streckte seine Hand aus und berührte Beelkens Leib, bevor sie zurückweichen konnte. «Von einem Spanier ist das Balg, nicht wahr?», fragte er unverblümt. «Hat dir aufgelauert und dich geschändet. Du konntest weder um Hilfe rufen noch dich verteidigen. Und dann hat er sich aus dem Staub gemacht und dich zurückgelassen wie den Dreck unter seinen Stiefeln. So lautete doch die Geschichte, die du deiner Herrin aufgetischt hast.» Der junge Mann lachte leise. «Vermutlich empfindest du es als großes Glück, dass deine Herrin dir nicht den Stuhl vor die Tür gestellt hat. Vielleicht hat sie dir sogar versprochen, sich nach der Geburt deines Kindes um euch beide zu
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