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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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gehörte zweifellos zur Familie des Grundherrn. Griet stellte sich vor, wie die Frauen eine nach der anderen im Herrenhaus verschwunden waren, um hernach nie wieder unter die Lebenden zu treten.
    Es klopfte. Eine Magd der Wirtsleute kam mit einer Lampe herein, die sie mit einem Gruß ihrer Herrin auf dem Tisch abstellte. Den auswärtigen Gästen solle es an nichts fehlen. Don Luis bedankte sich mit einem warmherzigen Lächeln, das dem Mädchen die Röte ins Gesicht trieb.
    «Wie ich hörte, hat es in eurem Dorf kürzlich einige Todesfälle gegeben», hielt Griet die Magd auf, als diese schon gehen wollte.
    Die Magd erbleichte. «Todesfälle? Wenn Ihr die Mutter des Ziegenbauern van Stickert meint, ja, die ist vor ein paar Tagen gestorben. Aber sie war schon alt und gebrechlich. Seit Mariä Hoffnung ist sie gar nicht mehr aus dem Bett gestiegen.»
    Don Luis schüttelte den Kopf. «Nein, mein hübsches Kind. Die meint meine … Frau nicht. Sie spricht von den Damen, die ins Herrenhaus wollten. Das ist kaum sieben Tage her. Ihr müsst doch ihre Wagen gesehen haben.»
    Die Magd starrte den Spanier mit Kuhaugen an. «Habt Ihr noch einen Wunsch? Wenn Ihr etwas essen wollt, müsst Ihr hinunter in die Schankstube gehen. Die Meisterin hat heute in der Früh gebacken, und über dem Feuer hängt ein Kessel mit Schmorfleisch.»
    «Hier bekommen wir bestenfalls eine Portion fettes Schmorfleisch, aber keine Auskunft», sagte Griet, nachdem das Mädchen das Weite gesucht hatte.
    Don Luis lachte. «Nun, die Kleine gehört offensichtlich nicht zur schwatzhaften Sorte. Aber keine Bange. Wir finden schon jemanden, der gesprächiger ist.»
    In der Wirtsstube ließen sich beide am Feuer nieder und bestellten das Essen, für das die junge Magd geworben hatte. Tatsächlich war die Mahlzeit nicht nur genießbar, sondern außergewöhnlich schmackhaft. Das zarte Fleisch zerging Griet fast auf der Zunge, und der Wein, den Don Luis ihr vorsetzte, entschädigte sie ein klein wenig für die Strapazen der vergangenen Tage. Dennoch ließen sich Griets Sorgen nicht so einfach abschütteln. Sie dachte an Basse, der vermutlich zu dieser Stunde von Beelken ins Bett gebracht wurde. Die Vorstellung, wie er lachte und mit ihr scherzte, versetzte ihr einen empfindlichen Stich. Sie verging fast vor Sehnsucht nach dem kleinen Jungen und verwünschte sich einmal mehr, weil sie ihn nicht aus Oudenaarde fortgebracht hatte. Gott allein wusste, wie lange sie noch mit Don Luis durch die Dörfer und Marktflecken Flanderns ziehen musste und ob es überhaupt einen Nutzen hatte, was sie tat.
    «Darf es noch eine Kelle sein?», erkundigte sich die Wirtin, eine etwa sechzigjährige dicke Frau mit gütigen Augen, deren Hals unter einem gewaltigen Doppelkinn begraben lag. Ihren Kleidern haftete der Geruch von Räucherkammer und Backhaus an, doch die Rufe der Wirtshausbesucher, die ihren Becher erhoben, als sie die Frau sahen, deutete an, dass sie für ihre Kochkünste in gutem Ruf stand.
    «Wenn ich noch ein Krümelchen esse, platze ich», meinte Don Luis schmunzelnd. Er klopfte sich auf den Bauch, der nicht halb so mächtig war wie der der Wirtin.
    Die Frau lachte ihn mit dröhnender Stimme aus. «Das behaupten die Burschen, die ich mit einem Huster umwerfen könnte. In meinem Haus, lieber Herr, ist noch keiner verreckt.»
    Don Luis’ Augen begannen zu funkeln. «Dann wären die bedauernswerten Nonnen, die neulich in Elsegem das Zeitliche segneten, besser bei Euch im Wirtshaus abgestiegen als im Herrenhaus, nicht wahr?»
    Aus dem Gesicht der Wirtin verschwand das Lächeln. Nervös zupfte sie mit ihren wulstigen Fingern an ihrer Schürze. «Woher wisst Ihr davon?», fragte sie leise, nachdem sie sich mit einem hastigen Blick davon überzeugt hatte, dass die Männer an den anderen Tischen sich wieder ihren Bierkrügen und Spielkarten widmeten. Ein bärtiger Greis, unter dessen Wams spindeldürre Beine in knallroten Strümpfen hervorschauten, hatte die Sackpfeife von einem Haken an der Wand genommen und begann, mit aufgeblähten Backen zu blasen.
    «Ich bewohne das Pförtnerhäuschen des Klosters in Oudenaarde, in das die Nonnen nach Jahren des Exils zurückkehren sollten», antwortete Griet wahrheitsgemäß. «Aber sie sind nicht heimgekommen. Da sind wir unruhig geworden.»
    Die Wirtin nickte. Sie war nicht so scheu wie ihre Magd, aber auch nicht bereit, ihr Wissen so ohne weiteres preiszugeben. Dennoch ließ sie sich eine Auskunft entlocken, als Don Luis seinen

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