Die Stadt der schwarzen Schwestern
Oranien und die nördlichen Provinzen zweifellos nutzen würde.
«Es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit, heil aus der Sache herauszukommen», sagte Don Luis. «Wenn nicht die Geusen die schwarzen Schwestern auf dem Gewissen haben, muss es einen oder mehrere andere geben, die gute Gründe hatten, sie sich vom Hals zu schaffen. Wir brauchen einen Schuldigen, um Farnese zu überzeugen, dass es in Oudenaarde keine Verschwörung gegen ihn und den König gibt.» Er seufzte. «Ich hoffe, wir finden in Elsegem brauchbare Hinweise auf die Männer, von denen der Müller gesprochen hat.»
Griet stimmte zu. Sie selbst hatte darauf gedrungen, so schnell wie möglich das Landgut aufzusuchen, bei dem die Schwestern und ihre Begleiter zuletzt lebend gesehen worden waren. Einer Tatsache musste sie sich jedoch schweren Herzens stellen. Gleichgültig, ob es ihr und Don Luis gelingen mochte, Farnese einen Täter oder die Drahtzieher des Überfalls zu bringen: Die Schulden, die sie nun, nach dem Tod der Nonnen, bei Margarethe von Parma hatte, waren zu hoch, um sie auf einmal zu begleichen. Damit war ihr Geschäft ruiniert. Was ihr blieb, war die Aussicht auf eine Zuflucht bei ihrem Vater in Brüssel oder eine Verbindung mit de Lijs. Falls Farnese seine Drohung nicht wahr machte und sie persönlich anklagte. Die nächsten Stunden grübelte sie unentwegt, bis die starre Kälte ihre Gedanken einzufrieren drohte; auch Don Luis verfiel wieder in Schweigsamkeit. Legten sie eine Rast ein, so verzehrte jeder still sein Brot. Erst als sie die Straße nach Elsegem erreichten, wurde Griet wieder munter. Neugierig blickte sie sich um und fragte sich, ob sie in diesem Dorf Ähnliches erwartete wie in Horebeke.
Ein Unterschied fiel ihr sogleich ins Auge. Der Ort, der zum Grundbesitz der adeligen Familie Aubrement gehörte, besaß ein Gasthaus, in dem Reisende nach Oudenaarde und Gent nicht nur übernachten, sondern auch ihre müden Pferde gegen frische wechseln konnten. Das Gebäude, ein ansehnliches Fachwerkhaus, das hinter einem mit wildem Wein bewachsenen Torbogen lag, beherbergte eine jener typischen flandrischen Gastwirtschaften, deren Fenster mit bunten Fahnen geschmückt waren und in deren Schankräumen zur Musik von Flöten und Sackpfeifen getanzt, deftig gegessen und schäumendes Dunkelbier getrunken wurde. Der Fußboden der Schankstube, die Don Luis und Griet betraten, war mit trockenen Binsen und duftendem Stroh ausgelegt, im Kamin knisterte ein Feuer, das zwar rauchte, dem Raum aber dennoch eine behagliche Note verlieh. Sie wurden von der Wirtin, einer höflichen Matrone, die an Durchreisende gewöhnt war, empfangen und bekamen, da die Herberge im November fast leerstand, sogleich eine große Schlafkammer mit zwei Bettkästen, sauber bezogenen Strohsäcken und einem dicken, von Hand gewebten Teppich, der die Kälte vom Alkoven fernhalten sollte.
Griet war angenehm überrascht; sie hatte noch nicht oft in Gasthäusern übernachtet. Einmal, um genau zu sein, als Willem sie vor ihrer Hochzeit von Brüssel nach Oudenaarde geholt und sie dabei von einem furchtbaren Gewitter überrascht worden waren. Die Spelunke, die Willem ausgesucht hatte, war ein baufälliges Loch gewesen, das von Schmutz, Ungeziefer und einem verschlagenen Wirtspaar beherrscht wurde. Dieses Gasthaus war dagegen direkt fürstlich. Als Griet den Geruch von gebratenen Zwiebeln und Fleisch auffing, stieß sie einen erleichterten Seufzer aus. Hier würde sie zu essen bekommen und baden können.
«Die Herren van Aubrement halten ihren Besitz offenbar gut in Schuss. Es herrscht hier eine völlig andere Atmosphäre als in Horebeke.» Sie lief zum Fenster und öffnete den Laden, um etwas frische Luft in den Raum zu lassen. Unter ihr lag der Dorfplatz mit Tenne und Kornwaage, ein Stückchen weiter erspähte sie eine hübsche Kirche, hinter deren steinernem Glockenturm ein schmaler Pfad hinauf zu einem Herrenhaus führte. Griet schluckte, als sie das von hohen Mauern umgebene Bauwerk im letzten Licht des Tages sah. Es wirkte abweisend und kalt. Dort mussten die schwarzen Schwestern ihre Wagen verlassen haben. Waren die Nonnen überrascht gewesen? Beunruhigt? Verängstigt? Hatten sie das Schicksal erahnt, das hinter den düsteren Mauern auf sie wartete? Vielleicht hatten ihre letzten Blicke dem roten Schindeldach der Kirche gegolten, während sie sich um ihre Vorsteherin scharten. Diese hatte sie hierhergeführt, denn nach allem, was Griet wusste, stammte sie aus dem Ort und
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