Die Stadt der schwarzen Schwestern
dir, den Mund nicht zu voll zu nehmen. Dein Bart und das Höllenvieh an deiner Seite machen noch keinen Mann aus dir, mein Junge!»
Jan stieß einen zornigen Schrei aus und warf sich auf Don Luis, der jedoch gewandter war und dem Angriff mühelos auswich. Er versetzte dem Müllersohn mit der Faust einen Hieb gegen das Kinn, sodass dieser gegen den Tisch schlug. Nun aber griffen auch die Knechte des Hausherrn in die Rangelei ein. Einer packte Don Luis von hinten, legte den Arm um seine Kehle und würgte ihn, bis er keine Luft mehr bekam. Jan holte aus und versetzte ihm einen Faustschlag in den Magen. Ein weiterer Schlag traf seinen Wangenknochen.
«Genug!», befahl der Hausherr streng. Er hatte zunächst nicht eingegriffen, wollte aber auch nicht zulassen, dass sein Sohn und seine Knechte Don Luis in seinem Haus totschlugen. «Schafft den Mann hinaus. Etwas kaltes Wasser ist weitaus wirkungsvoller, als ihm den Schädel einzuschlagen.»
«Es tut mir leid», sagte Griet leise, während sie zusah, wie die Knechte Don Luis über die Türschwelle schleppten. «Bitte verzeiht meinem Mann. Er hat die Beherrschung verloren.»
«Mein Sohn ist auch kein Heiliger. Eine kleine Abreibung tut ihm von Zeit zu Zeit gut. Das rückt ihm den Kopf zurecht. Allerdings …» Der Dorfälteste blickte Griet mit gerunzelter Stirn an. «Ich habe ein feines Gehör für Stimmen und verschiedene Arten des Ausdrucks, und ich könnte schwören, dass Euer Mann vorhin Flämisch gesprochen hat wie ein Spanier.»
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Kapitel 18
«Was habt Ihr Euch nur dabei gedacht, handgreiflich zu werden? Um ein Haar hätte man Euch als Spanier entlarvt! Habt Ihr überhaupt eine Ahnung, was die dann mit Euch gemacht hätten?»
Griet schnalzte verärgert mit der Zunge und trieb ihr Pferd im Gespann zur Eile an. Dabei bemühte sie sich, Don Luis zu ignorieren, der gleichmütig neben ihrem Karren herritt, als sei es durch seine Unbeherrschtheit niemals zu einem Zwischenfall gekommen. Der junge Mann sah bemitleidenswert aus. Sein linkes Auge war geschwollen, die Haut war voller Schrammen und blauer Flecken, und sein Knöchel musste höllisch wehtun. Doch er lebte, und das kam einem Wunder gleich. Dabei konnte Griet nicht einmal sagen, ob der scharfsinnige Dorfälteste ihren Ausflüchten geglaubt hatte oder sie beide wider besseres Wissen hatte gehen lassen. Dass Don Luis schmollte, fand Griet indessen empörend. Sie hätte Grund dazu gehabt, nicht er. Dennoch war er es, der sich in kindisches Schweigen hüllte, seit sie das Dorf mit all seinen Geheimnissen hinter sich gelassen hatten, und der anscheinend nicht daran dachte, auf ihre Fragen zu antworten.
«Redet Ihr heute noch mit mir, oder muss ich Euch einen Brief schreiben?», versuchte Griet es noch einmal. «Ich wüsste gern, wie lange wir nach Elsegem brauchen.»
Don Luis warf ihr einen scheuen Seitenblick zu. «Also gut, Ihr seid aufgebracht, und ich bitte Euch um Verzeihung. Mir sind die Gäule durchgegangen, aber Ihr versteht doch, dass der Bericht dieses Kerls mir ebenso zugesetzt hat wie Euch. Wenn die Nonnen wirklich ermordet wurden, wie die Geusen behaupten, könnte es in Oudenaarde ein Blutbad geben.»
Griet erschrak. Sie legte sich eine Decke über die Schultern und spähte hinauf zu den Wipfeln der kahlen Bäume. Der befürchtete Regen war bis jetzt ausgeblieben, dafür hüllten sich die sanft ansteigenden Hügel in ein düsteres, nebliges Zwielicht, das Griets Gemüt zusetzte. Der Himmel über ihr sah aus wie ein abgeschabtes Stück Kalbshaut. Und es roch nach Schnee.
«Ich hätte meinen Vater mit Beelken und Basse nach Brüssel schicken sollen», sagte sie reuevoll. «Oder nach Namur, wie Ihr vorgeschlagen habt. Dort wären sie vor Farnese in Sicherheit gewesen. Nun ist es leider zu spät dafür. Man wird sie nicht mehr aus der Stadt lassen.»
Don Luis’ Miene deutete an, dass er ganz ähnliche Befürchtungen hatte. Er war verpflichtet, dem Statthalter Bericht zu erstatten, auch wenn er Griet versprechen musste, das Dorf Horebeke und seine Bewohner nicht zu erwähnen. Griet wollte nicht, dass Farneses Truppen den Wald durchsuchten und Menschen wie Isolda, die in den Fängen der Inquisition genug gelitten hatten, hinrichten ließ. Aber Farnese war nicht dumm, und ein Mordanschlag auf sieben Angehörige eines gut beleumdeten katholischen Ordens war in Zeiten des Krieges eine politische Angelegenheit von höchster Brisanz, die er für seinen Kampf gegen den Prinzen von
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