Die Stadt der schwarzen Schwestern
sich so vorsichtig, als habe er Angst, seine Knochen könnten dabei brechen.
«Marx», rief der Hausherr plötzlich aus. Seine Miene hellte sich auf. «Es gibt eine berühmte Manufaktur für Wandteppiche in Oudenaarde, die diesen Namen trägt, nicht wahr? Mein Vater besaß eine Sammlung prächtiger Verdüren. Früher zierten sie die Wände dieser Halle. Gehört Ihr der Familie an, meine Liebe?»
Griet bestätigte es und gab zu, dass auch sie in früheren Jahren ein wenig gewebt hatte. Dies schien den Landadeligen zu entzücken, nicht aber die hagere Frau, die ein Tablett hereinbrachte, auf dem vier grünlich schimmernde Gläser standen. Sie schüttelte den Kopf. «Unser Vater musste die Teppiche auch nicht ausklopfen und Staub schlucken», sagte sie. «Nachdem er gestorben war, nahm ich alle ab und legte damit die Dachkammern aus.»
«Meine Schwester Anne habt Ihr wohl schon kennengelernt», sagte Gilles van Aubrement mit sichtlichem Missvergnügen. «Leider gehört sie nicht zu den Menschen, die Sinn für Kunst und Schönheit haben. Sonst hätte sie auch einen Mann gefunden.» Brühwarm erklärte er, dass sie nie geheiratet habe und er aus diesem Grund dazu verdammt sei, sich ihr Gejammer anzuhören.
«Gejammer?», rief die Frau bissig. «Ich flicke deine Hemden und Wämser, weil dir der Gewandschneider zu teuer ist. Ich reinige die Halle und schrubbe die Böden wie eine Magd. Und ich versorge dich, obwohl dir mein Essen nicht genehm ist und du dich lieber von der dicken Matrone aus dem Gasthaus beliefern lässt. Dabei bist du ein Geizhals!»
«Ich glaube nicht, dass der Señor und diese Dame gekommen sind, um Euch zu Euren Kochkünsten zu befragen, meine liebe Anne», sagte der Arzt. Er wirkte eher gelangweilt als peinlich berührt; vermutlich geschah es nicht zum ersten Mal, dass er einem Streit zwischen den Geschwistern beiwohnte.
«So ist es», sagte Don Luis ungeduldig. «Wir sind hier, um Euch über die Vorkommnisse in diesem Haus vor einigen Tagen zu befragen. Die Fürstin Margarethe von Parma und ihr Sohn, Statthalter Farnese, brennen darauf zu erfahren, warum die schwarzen Schwestern nur bis Elsegem gekommen sind.»
«Wir waren aber nicht hier, als Bernhild ankam», rief Anne van Aubrement, noch bevor ihr Bruder den Mund aufmachen konnte. «Mein Neffe in Löwen war erkrankt, deshalb nahmen wir die Reise auf uns, um nach ihm zu sehen. Ferm begleitete uns.»
«Dann stand das Haus also leer?»
Der Medicus hob die Schultern. «Es gibt hier seit Jahren keine Dienerschaft mehr, nur den alten Tankred, aber der ist stocktaub. Er ist der Einzige, der im Haus wohnen darf.»
Während die Männer miteinander sprachen, begutachtete Griet den Boden in der Halle. Er schien erst vor kurzem gereinigt worden zu sein. Doch an einer Stelle fand sie einen winzigen rostbraunen Fleck, der an getrocknetes Blut erinnerte. Sie beugte sich hinunter, um ihn genauer zu betrachten. «Das ist Blut», verkündete sie dann. «Ich glaube, dass die Frauen in dieser Halle getötet wurden.»
Gilles und seine Schwester warfen einander ratlose Blicke zu. Dann erklärte Gilles: «Als wir vor zwei Tagen das Dorf erreichten, bot sich uns ein Anblick, den ich nie vergessen werde. Es war grauenhaft. Ich kann es noch immer kaum fassen. Die Nonnen lagen dort vorne. Jemand hat sich die Mühe gemacht, sie aufzubahren und Kerzen anzuzünden, als wären sie eines natürlichen Todes gestorben.» Er stieß röchelnd die Luft aus. «Unsere Verwandte Bernhild erkannten wir sogleich wieder.»
«Sie hatte sich kaum verändert», pflichtete seine Schwester ihm bei. Sie schien weniger entsetzt über den Tod der schwarzen Schwester als vielmehr über die Tatsache, dass diese sich dafür ausgerechnet ihre Halle ausgesucht hatte. «Ich rief nach Tankred, fand ihn aber nirgendwo. Er ist verschwunden. Keine Ahnung, wohin.»
Griet blickte die Frau an. Sie konnte nicht glauben, wie kaltschnäuzig die Schwester des Grundherrn über die Geschehnisse hinwegging. Für sie bedeutete der Tod der Frauen ein Ärgernis wie ein Krug verschüttete Milch oder ein staubiger Wandteppich. Dabei ging es um Menschen. Am liebsten hätte sie das dürre Weib angeschrien und es geschüttelt, doch damit hätte sie kaum mehr herausgefunden. Vielleicht versuchte Anne van Aubrement ja auch nur zu verbergen, wie erschrocken sie war.
«Ich bat meinen Freund Hieronymus Ferm natürlich sogleich, die armen toten Frauen zu untersuchen, die dort in ihrem Blut lagen», sagte Gilles van
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