Die Stadt der schwarzen Schwestern
dass …»
«Ein Grab fehlt», platzte Don Luis heraus. « Madre de dios . Das war es, was mir die ganze Zeit falsch vorkam. Jetzt verstehe ich. Der Gutsherr und Ihr habt vorhin im Haus von sechs Nonnen gesprochen. Aber es waren sieben Frauen, die sich auf die Reise gemacht haben. Für sieben Frauen kaufte Margarethe von Parma Schutzbriefe.»
Durch Griets lahmen Arm jagte ein prickelnder Strom, der so belebend wirkte, dass sie beinahe aufgeschrien hätte. Doch diese plötzliche Aufwallung ebbte schnell wieder ab und überließ den Arm erneut der Gefühllosigkeit, die sie kannte. «Das bedeutet doch, dass nicht alle Frauen tot sind. Eine von ihnen muss das Massaker überlebt haben.»
«Meint Ihr wirklich?» Hieronymus Ferm war skeptisch. «Ich halte das für ziemlich abwegig. Diese Kerle sind mit einer grausamen Gründlichkeit vorgegangen. Nach ihrer schrecklichen Tat haben sie die Frauen aufgebahrt, ihre Beschützer in eine Kammer geschleift …»
«Sie haben sich nicht davon überzeugt, ob wirklich alle tot waren», fiel Griet ihm ins Wort. «Vermutlich befanden sie sich in Eile. Sie mussten damit rechnen, dass jemand sie sehen und vielleicht verfolgen würde. Ich glaube daher nicht, dass sie es waren, die die schwarzen Schwestern aufgebahrt haben. Eine solche Haltung passt nicht zu gemeinen Mördern.»
Don Luis griff sich an die Stirn. «Aber zu einer überlebenden Ordensfrau würde es passen. Möglicherweise konnte sie sich rechtzeitig verstecken, oder sie war nicht tödlich verletzt und konnte sich davonschleppen, nachdem ihre Peiniger die Halle verlassen hatten.» Er dachte einen Moment lang nach, dann bat er Griet, ihm zu folgen.
«Wohin?»
«Wir haben immer noch nicht die Reisewagen der Schwestern gefunden. Es könnte doch sein, dass wir unter ihren Habseligkeiten etwas finden, was uns einen Hinweis darauf gibt, wer sie verfolgte und warum sie hier überfallen wurden.»
Gilles van Aubrement hatte veranlasst, die Pferde der Nonnen in seine eigenen Stallungen, die Wagen aber in eine Scheune zu schaffen, die am Rand seines umfangreichen Besitzes lag und nur während der Heuernte im Sommer genutzt wurde. Hieronymus Ferm ging nicht mit ihnen. Er entschuldigte sich, weil er nach dem Verwundeten sehen wollte. Um diesen stand es nach wie vor so schlecht, dass er nicht ansprechbar war. Ferm hatte die Spitze einer Lanze aus seiner Leiste entfernt, die Wunde mit Weinbrand und Öl gewaschen und einen Verband angelegt, den er mit einer Salbe aus Ringelblumen, Kampfer und Stechapfel eingefettet hatte. Nun hieß es abwarten.
Griet und Don Luis fanden die Scheune auf Anhieb. Im Inneren befanden sich zwei Wagen, auf denen mehrere Personen bequem Platz fanden. Griet kletterte auf den am nächsten stehenden und hob die aus geölter Kalbshaut gefertigte Plane, die zum Schutz der Reisenden aufgezogen worden war. Wie sie feststellte, hatten die schwarzen Schwestern nur sehr wenige Habseligkeiten mit auf ihre Reise genommen, was nicht ungewöhnlich für Frauen war, die sich dem Armutsgelübde verpflichtet fühlten. Es gab eine Buckeltruhe mit stabilen Eisenbeschlägen, in der Griet einige feinbestickte Altartücher und weitere Tafelwäsche, Wachskerzen und eine Schnitzerei fand, die den heiligen Rochus, einen Schutzpatron aller Kranken und Notleidenden, darstellte.
«Sonst nichts?», erkundigte sich Don Luis. Er hatte sich offenbar den falschen Reisewagen vorgenommen, in seinem befand sich außer einigen Polstern und Sitzkissen nichts. «Keine Briefe, Schriften oder Urkunden?»
«Ein kleines Buch. Aber wartet …» Griet ertastete auf dem Boden der Buckeltruhe ein paar prallgefüllte lederne Säckchen. Sie nahm sie heraus und reichte sie an Don Luis weiter. Erwartungsvoll öffnete der junge Spanier einen der Beutel und verzog das Gesicht, als feine Körnchen auf seine Hand rieselten. «Was soll denn das sein, zum Teufel? Schießpulver?»
Griet musste unwillkürlich lächeln. «Das sind Proben verschiedener Pflanzensamen», sagte sie. «Die schwarzen Schwestern sollen heilkundig sein. Vermutlich bestand ihr größter Schatz aus den Samen der Kräuter und Pflanzen, die sie in Oudenaarde ziehen wollten, um daraus Salben und Heiltränke herzustellen.»
Don Luis warf die Samen zu Boden. «Mag sein, aber das führt uns keinen Schritt weiter. Was ist mit dem Buch?»
Griet gab es ihm und sah zu, wie er es vorsichtig aufschlug und darin blätterte. Das Buch steckte in einem roten Lederfutteral und sah so alt und abgegriffen
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