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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Aubrement mit heiserer Stimme. «Aber meine Hoffnung, dass wenigstens eine noch leben könnte, erfüllte sich leider nicht. Sie waren alle tot. Drei von ihnen wurde der Schädel eingeschlagen, vielleicht mit einem Knüppel. Zwei verbluteten an Stichwunden. Meine Verwandte … Bernhild …» Er redete nicht weiter, senkte bloß erschüttert den Kopf. Die Erinnerung an den grässlichen Anblick war zu viel für ihn. Sein Arzt führte ihn zu einem gepolsterten Stuhl und redete ihm gut zu. Anschließend ergänzte Ferm den Bericht. «Bernhild van Aubrement wurde mit einer Schnur erdrosselt. Es ist davon auszugehen, dass mehr als ein Angreifer über sie und die übrigen Nonnen herfielen. Es muss zuvor aber einen erbitterten Kampf gegeben haben. Als ich mit meinem Gehilfen das Haus durchsuchte, stießen wir in einer Kammer auf drei Männer, die man dorthin geschleift haben muss. Sie hielten noch Waffen in den Händen, sie haben wohl versucht, die Schwestern zu verteidigen. Sie wurden ebenfalls niedergemacht, jedenfalls zwei von ihnen.»
    Don Luis, der dem Bericht des Arztes schweigend zugehört hatte, riss die Augen auf. «Wollt Ihr damit sagen, dass einer der Waffenknechte überlebt hat? Meine Güte, warum rückt Ihr erst jetzt damit heraus?»
    Der Arzt verzog sein mageres Gesicht, um anzudeuten, dass er wenig Hoffnung für den Verwundeten hatte. Hastig erklärte er, dass die Verletzungen des Mannes gereinigt seien und er ihm beinahe stündlich Kräutertränke gegen das Fieber verabreichte. «Herr Gilles und ich sahen nach ihm, kurz bevor ihr eintraft», sagte er. «Dem Mann geht es sehr schlecht, er redet im Fieber wirres Zeug, das für mich keinerlei Sinn ergibt.» Ferm zuckte bedauernd die Achseln. «Leider sind der ärztlichen Kunst Grenzen gesetzt.»
    «Habt Ihr die erschlagenen Nonnen hinter der Kirche beigesetzt?», wollte Griet wissen. Anne van Aubrement bejahte das und fügte hinzu, dass sie es für das Beste gehalten hatten, den Überfall nicht an die große Glocke zu hängen. Obwohl sie und ihr Bruder sich niemals gegen die Obrigkeit aufgelehnt hatten und nachweislich loyal gegenüber der Krone waren, hegten sie doch nicht den Wunsch, fremde Untersuchungsrichter ins Dorf zu holen. Sie hatten das Gerücht ausgestreut, sechs kranke Frauen seien auf dem Rittergut gestorben, und der alte Tankred, der Angst vor der Pest gehabt hatte, sei auf und davon, um nicht ebenfalls an der Seuche zugrunde zu gehen, die die Frauen dahingerafft habe.
    Eine Stunde später standen Griet, Don Luis und Hieronymus Ferm auf dem Friedhof vor den frisch aufgeschütteten Erdhügeln, unter denen die sterblichen Überreste der schwarzen Schwestern zur ewigen Ruhe gelegt worden waren. Griet kämpfte mit den Tränen. Sie hatte die Frauen nicht gekannt, empfand aber dennoch Trauer um sie. Vielleicht weil ihr eigenes Geschick einige Wochen lang mit dem ihren verbunden gewesen war. Sie warf Don Luis einen scheuen Seitenblick zu und stellte fest, dass er mit verbissener Miene auf die Gräber starrte. Seine Lippen waren nicht mehr als zwei dünne, blutleere Linien, die sich nicht bewegten. Griet sprach ein Gebet und schlug das Kreuz. Sie wollte sich gerade abwenden, als ihr etwas auffiel.
    «Bernhild liegt nicht hier auf dem Friedhof, sondern unter einer der Grabplatten in der Kirche», murmelte sie.
    Don Luis nickte abwesend. «Das behauptet zumindest dieser Gilles.»
    «Bernhild van Aubrement hat in ihrem Testament verfügt, dass sie in der Familiengruft beigesetzt werden möchte», sagte Hieronymus Ferm. Der Arzt zitterte, da sein Mantel aus Schafwolle ihn nur notdürftig vor der Kälte schützte.
    Griet streckte den Arm aus und zeigte auf die Reihe eng zusammenliegender Grabstellen, die hinten von der Friedhofsmauer und weiter vorne von einer Gruppe Eiben eingefasst wurden. «Ich zähle fünf Gräber. Zwei weitere liegen abseits. Das sind die Männer, die den Begleitschutz der Reisenden bildeten. Man hat sie wohlweislich in einiger Entfernung zu den Ordensfrauen begraben. Der dritte Waffenknecht lebt noch.»
    Ferm schüttelte den Kopf. Ihm war anzusehen, dass er lieber wieder ins Gutshaus hineingehen würde, anstatt hier in der Kälte zu frieren. «Ich fürchte, ich kann Euch nicht folgen, Herrin», sagte er. «Der Dorfpfarrer, Vater Benedikt, ist ein frommer, erfahrener Mann, der die Gebote der heiligen Kirche stets sorgfältig erfüllt. Ihm ist gewiss kein Fehler unterlaufen.»
    «Ich rede auch von keinem Fehler des Priesters, sondern davon,

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