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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Werkstatt in St. Charles gesucht, aber die schließt leider schon um eins und …«
    Ich bot ihm an, ihn abzuholen. Er nahm an. Als ich ankam, saß er schon auf der Veranda und wartete auf mich. Ich suchte mir trotzdem einen Parkplatz. Ich stieg aus und ging zum Haus.
    »Darf ich mal Ihre Toilette benutzen?«, fragte ich.
    Er runzelte die Stirn. »Ich habe schon abgesperrt«, sagte er entschuldigend. »Und von hier brauchen wir nur eine Minute bis Uptown, ehrlich.«
    »Bitte«, sagte ich. »Ich halte es nicht länger aus. Ehrlich.«
    Von außen sah Leons Haus aus wie jedes andere der schmalen Häuser in der France Street. Seufzend schloss er die Haustüre auf und erklärte mir, wo das Badezimmer war. Als ich eintrat, musste ich nach Luft schnappen. Beinahe hätte ich das Gleichgewicht verloren.
    Leons Einrichtung war atemberaubend.
    Leon sammelte Mardi-Gras-Erinnerungsstücke aus der Goldenen Ära. In den Glaskästen, die die Wände säumten, lagen lithografierte Einladungen zu Bällen, Ketten aus Glasperlen, prächtiger Kopfschmuck, Kostüme der Skull-&-Bones-Gangs, königliche Schärpen und vieles mehr. Selbst ohne das Karnevalszeug hätte die Einrichtung beeindruckt. Die Wände waren in einem satten, dunklen Rot gestrichen. Die Möbel stammten aus derselben Epoche wie das Haus, neunzehntes Jahrhundert, und alles war in Gebrauch und stand einfach so herum, so dass man nicht das Gefühl hatte, in einem Museum zu stehen.
    Ich beeilte mich, so viele Informationen wie möglich aufzunehmen. Im zweiten Zimmer stand ein überladener Schreibtisch. Ich wühlte in Kreditkartenabrechnungen, Stromrechnungen und anderen Dokumenten. Nichts davon sagte mir etwas. In einer Schüssel lagen Karten – Visitenkarten, Bonuskarten, Guthabenkarten.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Ich war seit drei Minuten im Haus. Insgesamt blieben mir maximal sieben Minuten Zeit, bis er merken würde, dass ich zu lange brauchte.
    Ich lief ins letzte Zimmer, das Leon als Schlafraum diente.
    Mein Gott.
    Leon hatte sein Bett gemacht.
    Auf dem Nachttisch lag ein kleiner Bücherstapel: Indianer lesen, Rasse schreiben: Der Mardi Gras in New Orleans, Die Comus-Krewe: Eine informelle Überlieferung, außerdem Die Mardi-Gras-Traditionen der Cajuns.
    Auf dem anderen Nachttisch lagen Romane: Julie Smith, Poppy Z. Brite, James Lee Burke. Abgesehen davon sah ich im ganzen Haus keine Romane; wahrscheinlich gehörten sie nicht Leon. Ich zog eine Schublade auf. Ein Vibrator, ein Diaphragma, Hustentropfen. Ganz bestimmt nicht von Leon. Er hatte also eine Freundin.
    Ich sah auf die Uhr. Acht vergeudete Minuten. Ich hatte eine Menge über Leon erfahren, aber nichts davon half mir im Fall Willing weiter.
    Leon saß mit gerunzelter Stirn und voll aufgedrehter Heizung in meinem Truck.
    »Tut mir leid«, sagte ich, »Frauenprobleme. Also. Mardi Gras.«
    Diese Erwähnung entlockte Leon ein Lächeln. Sein Gesicht blühte auf. Es war, als hätte man einen Schalter umgelegt und ihn angeknipst. Plötzlich ersetzte ein lebendiger Mann die Pappmachéfigur, die hier eben noch gesessen hatte.
    »O ja«, rief er begeistert, »ich sammle die Andenken seit meiner Kindheit. Ich war bei so gut wie jedem Umzug dabei – na ja, bei fast jedem Umzug seit meiner Geburt. Außer 1989. Da lag ich im Krankenhaus. Mann, das war blöd. In dem Jahr habe ich den ganzen Karneval verpasst. Ich bin Mitglied in drei Krewes: Krewe du Vieux, Zulu und – oh, das darf ich nicht verraten! Jedenfalls ist es eine von den ganz großen Krewes.«
    »Sie sind ein Zulu?«, fragte ich.
    Leon lächelte wieder. Plötzlich war er ein anderer Mensch, ein Mensch aus Fleisch und Blut mit Vorlieben und Abneigungen und so etwas wie einer Persönlichkeit. »O ja«, sagte er. »Die nehmen auch Weiße auf. Wir tragen das Make-up, die Röcke, alles. Stört da keinen. Das ist mein Lieblingsverein. Wir haben ein Vereinsheim unten am …«
    Er hielt inne. Ich wusste, warum. Das berühmte Vereinsheim war immer noch geschlossen und stand drei Meter unter Wasser.
    »Wie dem auch sei«, fuhr er fort und überging die Flut wie eine Plattennadel, die einen Takt überspringt, »ich halte diese Krewe immer noch für die beste von allen. Die Jungs wissen, wie man ein Fest auf die Beine stellt. Da war dieser Typ, John, er war ebenfalls ein Indianer, er war in mindestens hundert Vereinen und trug die Masken und alles. Er war einfach nur …« Leon holte tief Luft, so beeindruckend war John, der Zulu. »Er war der Größte. Er hat

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