Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)
Der verbitterte König verdirbt das Land. Behandle den Reis gut, dann ist der König wohlgenährt.
26
A m nächsten Morgen rief ich Leon an, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen. Er hatte ausdrücklich darum gebeten, alle paar Tage eine Rückmeldung zu erhalten. Ich weiß nicht, warum wir Privatdetektive ständig Rückmeldung geben müssen. Wissenschaftler tun das schließlich auch nicht. Soviel ich weiß, verlangt niemand von einem Maler oder Koch, eine Rückmeldung zu geben. Aber wir Privatdetektive müssen uns zwei Mal pro Woche rückmelden, sonst denken die Leute, wir würden faulenzen.
»Sie haben hoffentlich gute Nachrichten für mich?«, fragte Leon.
»Nein«, sagte ich. »Ich habe überhaupt keine Nachrichten für Sie. Was in diesem Fall nichts Gutes bedeutet. Manchmal sind keine Nachrichten gute Nachrichten. In diesem Fall sind sie einfach bloß keine Nachrichten.«
Ich schilderte Leon in knappen Worten, was ich getan hatte, wobei ich mein Vertrauen in Andray Fairviews Unschuld stark übertrieb.
»Ich werde gleich jemanden treffen«, sagte ich. »Im Moment bin ich dabei, einen Detektiv namens Jack Murray ausfindig zu machen. Angeblich hat er zuletzt in einer Pension in Central City gewohnt. Das steht für heute auf dem Programm.«
»Und der weiß etwas über Vic?«, fragte Leon.
»Vielleicht«, sagte ich. »Möglicherweise.«
»Die kannten sich?«, fragte Leon hoffnungsvoll. »Sie waren befreundet?«
»Nein«, sagte ich. »Ich weiß es nicht. Vielleicht.«
»Ich würde Ihnen«, sagte Leon, »gern eine Frage stellen, ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, schließlich will ich Ihnen nicht vorschreiben, wie Sie Ihren Job zu machen haben.«
Wenn die Leute das sagen, haben sie normalerweise genau das vor.
»Ich habe mich bloß gewundert«, fuhr er fort, »dass Sie ständig davon reden, diese oder jene Person treffen zu wollen. Können Sie die Leute nicht einfach anrufen oder ihnen eine E-Mail schicken?«
»Nun ja, Leon«, sagte ich, »wenn ich jemandem eine Frage stelle, habe ich es meistens nicht auf die Antwort abgesehen, sondern auf die Reaktion. Zum Beispiel habe ich Sie bei unserem ersten Treffen nach Ihren Schwestern gefragt, können Sie sich erinnern? Dass ich mich nach Ihren Schwestern erkundigt habe? Sie haben gesagt, das wären tolle Frauen, aber das war gelogen, oder, Leon? Für so toll halten Sie sie nicht, was? Ehrlich gesagt glaube ich sogar, dass Sie Ihre Schwestern nicht besonders mögen, könnte das sein? Wenigstens nicht mehr, seit sie von hier weggezogen sind. Ihr hier in New Orleans könnt es einfach nicht ertragen, wenn jemand wegzieht. Und wissen Sie was, ich glaube, Ihre Schwestern mögen Sie ebenfalls nicht. Wissen Sie, woher ich das weiß, Leon?«
Ich wartete auf eine Antwort.
»Keine Ahnung«, murmelte er.
»Sie haben keine Ahnung «, wiederholte ich. Offen gestanden war ich ein wenig verärgert. »Tja, mein lieber Leon, da gab es ein paar Hinweise, die mir das verraten haben. Ich habe es Ihrer Gestik und Körpersprache entnommen. Ich weiß es, weil Sie angefangen haben, mit dem rechten Fuß zu wippen, als das Gespräch auf Ihre Schwestern kam. Das tun Sie immer, wenn Sie sich selbst etwas vormachen. Das habe ich nur durchschaut, weil ich Ihnen persönlich gegenübersaß. So arbeiten Detektive, Leon. Wenn Sie damit nicht umgehen können, sollten Sie sich vielleicht lieber einen Möchtegern-Cop aus New Jersey suchen, der keinem Berufsverband angehört, seinen Detektivausweis im Internet ersteigert und seine Lupe in einer Cornflakesschachtel gefunden hat …«
»Okay«, sagte er, »ist schon gut.«
»Na also«, sagte ich. »Begleiten Sie mich doch einfach, dann sehen Sie selbst, wie ich arbeite. Denn ganz offensichtlich vertrauen Sie mir nicht. Und ich möchte, dass Sie mir vertrauen, Leon«, log ich. »Es ist mir wichtig, Ihr Vertrauen zu genießen.«
Ob Leon mir vertraute, war mir egal. Ich wollte jedoch weiterhin von ihm bezahlt werden.
»Okay«, sagte er schließlich, »ich werde Sie begleiten. Nicht, weil ich Ihnen nicht vertraue« – jetzt logen wir beide –, »sondern weil ich neugierig bin. Das Dumme ist nur, mein Auto ist kaputt.«
»Kaputt?«, fragte ich.
»Na ja«, sagte er, »hoffentlich nicht ganz. Aber ich hatte eine Panne, und die Werkstatt, bei der ich sonst immer war, hat geschlossen. Hat nach dem Sturm nicht wieder aufgemacht. Mein Kumpel hat mir von diesem Mechaniker in Metairie erzählt, aber da komme ich nicht hin. Also habe ich mir eine
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