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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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einen seltsamen Weg beschritten«, erklärte sie, als sie mein fragendes Gesicht sah. »Aber er hat seinen Platz gefunden. Um ihn brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Und wenn er Hilfe braucht, weiß er, dass er sich jederzeit an uns wenden kann.«
    Sie sah, dass ich immer noch verwirrt war.
    »Manchmal muss man die Dinge, die man nicht begreifen kann, einfach akzeptieren, Claire«, sagte sie.
    Ich runzelte die Stirn. Constance auch.
    »Nun gut, vielleicht muss man sie nicht unbedingt akzeptieren «, stellte sie richtig. »Aber sie sind dennoch da.«
    Jack verschwand wieder im Schattenreich aus Obdachlosenheimen und Hotels, Parkbänken, Bushaltestellen, Schnapsläden und Privatpensionen. Ich sah ihn niemals wieder. Constance wahrscheinlich auch nicht.
    Sechs Monate später war sie tot.

    Am benachbarten Picknicktisch war ein Platz frei, und ich setzte mich. Sogar hier draußen, an der frischen Luft, stanken die Leute. Mit denen war offensichtlich nicht zu spaßen. Aber bis jetzt hatte ich mich noch von keinem unterkriegen lassen, und ich hatte nicht vor, es heute zu tun.
    Die Männer ignorierten mich und ließen eine Literflasche Malt Liquor kreisen.
    »Man könnte hier glatt verdursten«, sagte ich mit einem kleinen Lächeln.
    Sie ignorierten mich. Sie ignorierten mich weiter.
    Sie ignorierten mich, bis ich ging.

    Am Nachmittag fuhr ich an dem Park an der Ecke von Third und Annunciation Street vorbei. Ich entdeckte eine Gruppe von Jugendlichen, die wichtig und unheimlich beschäftigt taten. Ein kleiner Typ mit Dreadlocks war nirgends zu sehen. Niemand, auf den die Beschreibung von Lawrence gepasst hätte. Ich fuhr zu dem Sandwichladen an der Ecke von Magazine und First und kaufte mir einen Poor Boy mit Shrimps und ein Rootbeer, dann fuhr ich zurück. Immer noch kein Lawrence.
    Auf der Jackson Avenue, zwischen der Magazine und der Constance, entdeckte ich wieder den Kranwagen, der im Halteverbot neben einem Hydranten stand. Niemand saß in der Kabine.

    Wasch mich, hatte jemand mit dem Finger in den Staub an der Heckscheibe geschrieben.
    Erschieß mich, stand darunter.

    Ich arbeitete seit zwei Wochen an dem Fall. Ich hatte Hinweise, ich hatte Spuren, ich hatte Fragen. Was mir fehlte, waren Antworten.
    »Nur ein Tor sucht nach Antworten«, schrieb Silette. »Der Weise sucht nach Fragen.«
    Silette hatte keinen Auftraggeber, der tageweise zahlte und ständig auf die Uhr schielte. Er hatte Buchtantiemen und den Treuhänderfonds von seinem Vater, der mit Textilien ein Vermögen verdient hatte.

31
    A m selben Abend besuchte ich ein Restaurant an der Ecke von Frenchman Street und Chartres Street, das kreolische Küche anbot und erst vor kurzem wiedereröffnet hatte. Wie in den meisten Restaurants lief es auch hier noch nicht wieder rund. Das Essen wurde in Schlaraffenlandportionen serviert und der Eistee in einem Schnapsglas. Der Haufen frittierter Okraschoten war größer als mein Kopf.
    Ich hatte eben gezahlt und trat nach draußen in die kühle, klamme Abendluft, als ich es spürte.
    Zunächst den Druckabfall. Dann war es, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und die ganze Welt auf Zeitlupe geschaltet, so dass die Energieströme sichtbar wurden. Die Angst stieg aus meinen Beinen in meinen Bauch auf und mischte sich dort mit Magensäure.
    Jemand würde sterben.
    Ich sah mich um. Ich sah, wie jemand es noch vor mir hörte.
    Ich sah ins Gesicht einer Frau, die auf der anderen Straßenseite stand. Sie öffnete den Mund in Zeitlupe, um einen Schrei auszustoßen. Dann – weniger als eine Sekunde war vergangen, die sich aber anfühlte wie eine Stunde – hörte ich Schüsse aus einem Maschinengewehr rattern.
    Ich drehte mich um und sah, wie eine Panikwelle durch die Straße schwappte, wie jemand schrie, ein anderer den Mund aufriss und zu Boden sank oder weglief oder schreiend stehen blieb.
    Ich hörte die Schüsse, aber ich konnte den Schützen nicht sehen.
    Ich sprang hinter einen Zeitungskasten und duckte mich, bedeckte meinen Kopf mit den Armen und krümmte mich zusammen. Ich hörte Schreie und sah Füße in alle Richtungen laufen. Das Schaufenster hinter mir barst, als die Kugeln die Scheibe trafen.
    Dann war es vorbei.
    Ich öffnete die Augen und entwirrte meine Glieder. Alles war still.
    Ich stand auf. Alle waren weg oder lagen am Boden. Alle außer mir. Ich rannte zur Straßenecke und konnte gerade noch einen schwarzen Hummer ohne Nummernschild davonfahren sehen, während ein langer, brauner Arm eine

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