Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
Vom Netzwerk:
dann macht er sich auf die Suche. Er wird nicht länger als einen oder zwei Tage brauchen. Aber wahrscheinlich kann er sich erst darum kümmern, wenn er den Job erledigt hat, bei dem er mir gerade hilft. Ich halte ihn ziemlich auf Trab. Sag ihm, ich hätte es dir versprochen, okay? Sag ihm das.«
    Der Junge nickte und bedankte sich. Ich wusste nicht, ob er meinen Vorschlag annehmen würde. Ich hätte ihm auch selbst helfen können, aber Mick würde es viel schneller hinkriegen als ich – er kannte die Besonderheiten des Systems in Louisiana. Warum sollte ich ihm außerdem die Gelegenheit nehmen, den Gutmenschen zu spielen?
    Der Junge ging, und ich tat für eine Weile so, als lese ich in einer Zeitschrift. Währenddessen ließ ich den großen Jungen, der mich über Vic angelogen hatte, nicht aus den Augen. Nach einer Weile stand er auf und ging zur Toilette. Als er wieder herauskam, erwartete ich ihn.
    »Hallo«, sagte ich.
    Der Junge zuckte zusammen.
    »Himmel«, sagte er, »warten Sie auf mich?«
    »Du kanntest Vic also«, sagte ich.
    Sein ganzer Körper versteifte sich. Man musste keine Detektivin sein, um zu bemerken, dass hier etwas nicht stimmte. Der Junge runzelte die Stirn.
    »Sie machen einen netten Eindruck«, sagte er, »aber hier wissen alle Bescheid. Wer mit der verrückten Lady über den Staatsanwalt spricht, ist tot.«
    »Tatsächlich?«, fragte ich. »Wer hat das gesagt?«
    Der große Junge lachte und schüttelte den Kopf.
    »Sorry«, sagte er. »Auf den Scheiß lass ich mich nicht ein.«
    »Danke trotzdem«, sagte ich. Er nickte.
    Ich drehte mich zum Gehen um, als ich den Jungen einatmen hörte. Er wollte mir noch etwas sagen.
    Ich sah ihn an. Sein langgezogenes, ernstes Gesicht wirkte müde. Er hatte es wohl satt, immer zu kämpfen und dichthalten zu müssen, in einer Welt zu leben, in der man starb, bloß weil man das Falsche gesagt hatte.
    »Wenn Sie Lawrence suchen«, sagte er, »gehen Sie am besten in den Park in Irish Channel. Ecke Third und Annunciation. Kleiner Typ, lange Dreads. Wenn er nicht da ist, gehen Sie einfach am nächsten Tag noch mal hin.« Er sah mich an. »Er ist da immer. Sie werden ihn finden. Es ist ganz leicht.«
    Er hoffte, dass Lawrence mir alles über Vic erzählen würde, was er mir verschwieg.

30
    D er Congo Square war ein kleiner Kopfsteinpflasterplatz am Louis-Armstrong-Park und berühmt für seine Vergangenheit. Hier hatten sich im achtzehnten Jahrhundert afrikanische, haitianische und westindische Sklaven getroffen, die in New Orleans größere Freiheiten genossen als im Rest der Südstaaten, um zu beten, zu tanzen und zu musizieren. Der Platz galt gemeinhin als Geburtsort der amerikanischen Musik, als der Ort, an dem die Grundsteine des Jazz gelegt wurden, aus dem sich später Rhythm and Blues, Rock ’n’ Roll und alles Weitere entwickeln sollte.
    Der Platz war erhalten worden, doch man bewahrte ihn nicht. Eine eingeschworene Clique von Trinkern und Drogenabhängigen hielt ihn besetzt und unter Kontrolle. Wer sich hierher verirrte, tat das auf eigenes Risiko. Die Polizei ließ sich hier nicht blicken, genauso wenig wie die Heilsarmee oder die Nationalgarde.
    Rings um den Platz standen ein paar Parkbänke. Drei waren leer, auf zweien lagen schlafende Gestalten. An der Rampart Street stand ein fest einzementierter Picknicktisch, an dem fünf Männer saßen, allesamt über fünfzig, arm und obdachlos und in Klamotten, die in diesem Jahr noch nicht gewaschen worden waren. Diesen Typ Mann findet man in den abseits des Stadtzentrums gelegenen Parks jeder amerikanischen Stadt. Auf halbem Weg in die Gosse. Ich glaube, solche Männer werden seit dem Ende des Bürgerkriegs produziert; Veteranen, die erst den Krieg verloren haben und dann den Kampf. Sie zählen sogar dann zu den Verlierern, wenn ihre Seite siegreich war.
    Einer von ihnen war Jack Murray. Eine dicke Schicht aus Dreck, verschüttetem Schnaps und Verzweiflung ließ alle Männer gleich aussehen, trotzdem erkannte ich ihn sofort als den Mann, den ich auf Constances Veranda kennengelernt hatte. Bestimmt würde er sich nicht an mich erinnnern.
    Der Privatdetektiv Jack Murray war in Uptown als Mitglied der gehobenen Mittelschicht ins Leben gestartet. Wie Vic Willing hatte er an der Tulane studiert und war voller Ambitionen ins Berufsleben eingestiegen. Jack Murray hatte sich vorgenommen, der beste Ermittler der Welt zu werden, und zunächst sah es gut aus für ihn. Im Alter von sechsundzwanzig Jahren klärte er

Weitere Kostenlose Bücher