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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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schnipste noch einmal.
    »Danach«, schloss Andray, »war alles anders. Trey hat nie ein Wort drüber verloren. Hat mir nie verraten, wie er das gemacht hat. Ich habe ja schon so einiges gesehen, aber das war echt die Höhe.«
    »Aber Trey«, sagte Terrell ernst, »war nicht mehr der Alte.«
    »Na ja, immerhin wurde er angeschossen«, sagte ich.
    »Nein«, sagte Terrell kopfschüttelnd, »so meine ich das nicht. Sein Körper war derselbe, keine Narbe und gar nichts. Aber im Kopf war er anders.«
    »Er hing nicht mehr mit uns rum«, sagte Andray. »Wir haben ihn kaum noch zu Gesicht bekommen.«
    »Er ist auf Güterzügen mitgefahren«, sagte Terrell, »wie ein Landstreicher.«
    »Zusammen mit ein paar weißen Jungs«, sagte Andray, »heruntergekommene Typen mit Dreadlocks und so. Punks. Er blieb jedes Mal länger weg.«
    »Hat im ganzen Land Leute kennengelernt«, sagte Terrell. »Einmal ist er sogar in die Bücherei gegangen, um einem Mädchen aus Portland zu mailen.«
    »Oregon«, erklärte Andray in der Annahme, ich könnte mit der Ortsbezeichnung Portland ebenso wenig anfangen wie er.
    »Portland, Los Angeles – verdammt, der war einfach überall«, sagte Terrell. »Per Güterzug. Und eines Tages ist er gar nicht mehr wiedergekommen.«
    »Vor sechs Monaten«, sagte Andray.
    »Vor sieben«, sagte Terrell. »Vor sieben Monaten.«
    »Eine lange Zeit«, sagte Andray.
    Wir saßen im Auto, und ich rauchte die braune Zigarette zu Ende.
    Andray sah mich an.
    »Warum atmen Sie so komisch?«
    »So atme ich immer«, sagte ich.
    Ich fühlte mich wie im freien Fall und fragte mich, ob der Truck nun endgültig umgekippt war. Immerhin hatte die Neigung einen unmöglichen Winkel erreicht. In Physik konnte mir keiner was vormachen.
    »Hey, Lady!«, hörte ich es von weit weg.
    Im Fallen sah ich Trey, wie er in Portland die Mädchen zum Lachen brachte und die sauberen Straßen und unbeschädigten Gebäude bewunderte. Trey, der in Los Angeles in einer Brown-Derby-Filiale sitzt und Klienten empfängt. Trey, wie er in Boston den Harvard-Campus erkundet. Trey, wie er in Miami mit Alligatoren ringt. Trey in Alaska, wie er Yukon Jack das Schießen und Steinschleudern beibringt. Trey, der sich lachend einen Weg durchs ganze Land bahnt, der alles sieht und auf der Sonnenseite lebt.
    »Sie heißt Miss Claire. Yo, Miss Claire!«
    »Scheiße. Hey, Lady, aufwachen!«
    »Hey, CLAIRE. Claire-de-was-auch-immer. AUFWACHEN!«
    Plötzlich packte mich jemand an den Schultern. Trey?
    »Oh, Lady, bitte wachen Sie auf, verdammt, BITTE wachen Sie auf.«
    Ka-wumm. Ka-wumm.
    Ich spürte das Herz in meinem Brustkorb schlagen. Meine Augenlider klappten auf. Ich war high und vollkommen lebendig.
    Terrell beugte sich über mich, Augen und Mund weit aufgerissen. Andray war weg.
    »O Mann«, sagte er, »ich dachte schon, Sie wären hinüber.«
    Er lachte. Nichts war lustig, er war einfach nur froh, dass ich nicht gestorben war.
    Ich bemerkte, dass ich vom Fahrersitz gerutscht war und mein Kopf fast die Fußmatte berührte. Ich setzte mich auf.
    »Hey«, sagte ich. Mein Hals brannte und war ausgetrocknet. »Kriege ich noch mehr?«
    Terrell schüttelte den Kopf und ignorierte meine Bitte. Er war den Umgang mit zugedröhnten Idioten gewohnt. »Lady, Sie sahen wirklich tot aus. Sie waren ganz weiß, und Ihre Augen waren nach oben verdreht, so wie im Film.«
    »Ich sehe immer so aus«, krächzte ich.
    Er dirigierte mich zu der durchgehend geöffneten Tankstelle an der Ecke von Magazine Street und Washington Avenue. Er hüpfte aus dem Auto und kam mit einem Plastikfläschchen zurück, in dem eine gezuckerte, gefärbte Flüssigkeit schwappte.
    »Saft«, erklärte er. »Trinken Sie das, ist gut für Sie.«
    Ich trank das Zuckerwasser und fühlte mich gleich besser. Ich begriff, warum er und Andray befreundet waren. Er war wirklich ein netter Junge. Ich fuhr ihn an seine Straßenecke zurück. Einen Block davor hielt ich an, um ihn aussteigen zu lassen.
    »Sicher, dass Sie das allein schaffen?«, fragte er. »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Es geht schon«, sagte ich. »Danke für den Saft.«
    Er nickte, gab mir die Hand und stieg aus.
    Seine Hand fühlte sich hart und ledrig an, so als sei er harte Arbeit gewohnt.

35
    E s war Nacht. In der Bar war es dunkel, es roch nach Bier und fühlte sich vertraut an. Vielleicht war ich schon einmal hier gewesen. Über der Theke hing eine Lichterkette, und in der Jukebox lief Tom Waits. Ich befand mich im French Quarter am Ende der

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