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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Decatur Street, die tagsüber für ihre Antiquitätenläden bekannt ist und nachts für die Kellerbars. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wie ich hergekommen war, aber da saß ich nun.
    Tracy und Andray saßen an der Bar.
    Andray trank einen Martini aus einem überdimensionierten Glas und rauchte Zigarre. Tracy trank ein Bier und rauchte eine Zigarette. Andray musste direkt hierhergekommen sein.
    Hier hat Tracy also all die Jahre gesteckt, dachte ich. Und ich hatte immer gedacht, sie wäre gestorben. Dabei war sie die ganze Zeit in New Orleans gewesen. Auf seltsame Weise ergab das sogar Sinn. Tracy hätte New Orleans geliebt – das Mörderische, die Musik, die Leute hier. Sie war in meinem Alter – in ihrem Alter –, ihre Haare waren gebleicht, und sie sah verhärmt und ein bisschen unheimlich aus. Ich hatte es immer geahnt. Sie trug einen schwarzen Pelzmantel, der sich an den Säumen aufzulösen begann, und schwere Klunker an allen Fingern. Ich konnte die eintätowierten Buchstaben an ihrem Handgelenk sehen: C und K. Drum herum hatten sich neuere Tattoos angesammelt: Schlangen, Rosen, die Namen ehemaliger, flüchtiger Liebhaber.
    Ich wollte die beiden ansprechen, aber sie hörten mich nicht, obwohl ich sie hören konnte.
    »Es ist bloß so«, sagte Andray gerade, »die Leute kommen her und meinen, dass es sein wird wie in einem Damon-Runyon-Roman. Die wollen Umzüge sehen …«
    »Und diese ganze Voodoo-Kacke«, pflichtete Tracy ihm bei, »und schwarze Straßenkinder, die durch die Pfützen steppen. Und einen alten Schwarzen, der im French Quarter Gitarre spielt.«
    Andray lachte.
    Natürlich hätten sie einander gemocht! Natürlich wären sie die besten Freunde gewesen.
    »Aber wenn sie dann kommen«, sagte Andray, »merken sie schnell, dass das hier nichts mit Damon Runyon zu tun hat.«
    Tracy lachte.
    »Eher mit Jim Thompson«, sagte sie.
    »Oder Donald Goines«, schlug Andray vor.
    »Vielleicht sogar Chandler«, sagte Tracy. »Bei dem ergibt auch nie etwas einen Sinn.«
    »Ja«, sagte Andray, »du sagst es. Wenn einer so eine Geschichte hören will, wo am Ende alles nahtlos aufgeht, sollte er lieber im Zug sitzen bleiben und bis nach Texas weiterfahren.«
    »Er sollte am besten gar nicht erst aussteigen«, sagte Tracy, »sondern einfach im Zug sitzen bleiben. Miss, wie ich hörte, haben sie in Oxford die tollsten Geschichten. «
    Andray lachte.
    »Und in Miami auch, hab ich gehört«, fügte er hinzu.
    »In Kalifornien, jede Menge«, sagte Tracy. Sie lachten wieder.
    »So ist es in dieser Stadt«, sagte Andray. »Sie weiß die schönsten Geschichten zu erzählen, wirklich. Aber wer auf ein Happy End hofft, sollte sich lieber woanders umsehen.«
    Tracy kicherte.
    »Kumpel, du sagst es«, murmelte sie und zündete sich eine Zigarette an. »Diese Stadt hat viele liebenswerte Seiten, aber sie ist nichts für schwache Nerven. Hier gibt es viel Gutes«, sie blies eine Qualmwolke in die dunkle Bar, »aber es ist keine Stadt für ein Happy End.«

36
    I ch wachte auf, griff zum Handy und rief Kelly an. Ich hatte seit fünf Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen. Ich erreichte ihren Anrufbeantworter. Ihre Stimme klang schnippisch und knapp wie bei unserer letzten Begegnung. »Sie haben die Nummer der Privatdetektei McCallen gewählt. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«
    »Ich bin es«, sagte ich. »Ich hatte einen Traum.«
    Ich legte auf.

    Unsere Karrieren als Detektive begannen wir damit, die Rätsel unserer Elternhäuser zu lösen. Wo ging Kellys Mutter jeden Tag um 13:15 Uhr hin? Zum Schnapsladen, wie wir herausfanden. Was bewahrte Tracys Vater in der geheimnisvollen Kiste unter seinem Bett auf? Bondage-Pornos und Fotos, von denen ich wünschte, ich hätte sie nie gesehen. Und wen rief meine Mutter heimlich an, sobald mein Vater eingeschlafen war? Ihren Schwager, den Bruder meines Vaters, wie wir feststellten.
    Es dauerte nicht lange, bis wir die Gültigkeit von Silettes oberster Ermittlungsregel bewiesen hatten: Die meisten Leute möchten gar nicht, dass man ihr Rätsel löst. Was auch uns selbst betraf. Aber es war zu spät – wir konnten nicht mehr aufhören.
    Als Nächstes wandten wir uns den Geheimnissen in der Nachbarschaft zu. Verbrechen gab es zuhauf, doch deren Aufklärung stellte keine große Herausforderung dar. Alle wussten, wer Dwayne erschossen hatte. Alle wussten die Wahrheit über LaTishas Dad. Das Problem war nicht, das Verbrechen aufzuklären. Das Problem war, dass es keinen

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