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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Einfach alles. Wir haben uns gegenseitig Geld gegeben und füreinander Deals abgemacht. Wir hatten Vertrauen, verstehen Sie? Die hier haben wir uns in der achten Klasse stechen lassen.« Er betrachtete seine Tätowierung.
    »Trey, der Penner, war so was von ungeschickt«, lachte Terrell. »Der verdammte Clown. Hatte immer nur Quatsch im Kopf. Einmal …«
    »Einmal«, unterbrach ihn Andray, der selbst lachen musste, »einmal hatte er Ärger mit einem Typen, der hieß Deuce …«
    »Und Deuce steht hinter ihm und drückt ihm eine Knarre in den Rücken …«
    »Eine verdammte Knarre!«
    »Und Trey sagt: ›Deuce, Mann, du freust dich wohl sehr, mich zu sehen.‹«
    Wir lachten. Der Spruch war uralt und von Mae West, aber immer noch lustig.
    »Kalt«, sagte Andray, was eindeutig ein Kompliment war.
    »Eiskalt«, pflichtete Terrell ihm bei.
    »Aber dann«, fuhr Andray fort, »wurde alles anders. Wissen Sie, vor drei oder vier Jahren haben wir Karriere gemacht. Wir haben mehr verdient, neue Leute kennengelernt. Irgendwann haben wir dann nicht mehr zusammen gearbeitet. Wir waren Konkurrenten. Am Anfang war das egal. Der Kuchen war groß genug für alle. Aber wissen Sie, dann fing es an … mit ganz kleinen Sachen. Damals hatte jeder von uns eigene Jungs, die für uns gearbeitet haben, und zwischen denen gab es manchmal Streit. Das mussten wir dann klären. Aber wir haben das immer geschafft. Es zu klären.«
    Terrell nickte ernst. »Bis der Sturm kam«, sagte er.
    »Ja, der Sturm«, bestätigte Andray nickend. »Da wurde alles anders. Wissen Sie, Trey und Terrell sind nach Houston abgehauen, und ich nach Dallas. Wir waren ungefähr drei Monate weg, und als wir wiederkamen, hatte sich alles verändert. Was das Geschäftliche anging. In Texas hatten wir uns jeweils anderen Leuten angeschlossen. Wir hatten also nicht mehr mit denselben Leuten zu tun. Und so wurden wir echte Konkurrenten. Damals war kaum jemand zurückgekommen. Nicht bloß die Kunden, auch die Verkäufer. Wissen Sie, die meisten hingen in Kalifornien fest oder in Wisconsin, so was halt. Sie saßen da fest, wo immer der Sturm sie hingetrieben hatte. Deswegen waren hier nach dem Sturm bloß ich und Terrell und Trey und noch ein paar Typen.«
    »Aber eigentlich«, sagte Terrell, »waren es nur wir drei.«
    Andray nickte. »Nur wir drei. Und wir hatten die Chance, richtig viel Geld zu verdienen, bevor die ganzen anderen Penner wieder in die Stadt kamen. Und ich … na ja, ich glaube, ich war damals nicht ganz klar im Kopf. Wegen dem Sturm und so. Wissen Sie, ich habe da Sachen gesehen … ich war die ganze Zeit so wütend. Es war wie …«
    »Wie eine Krankheit«, sagte Terrell. »Es ist wie eine Krankheit, wenn man die ganze Zeit so wütend ist.«
    Andray nickte. »Ja, und Trey war einer der Gründe, wütend zu werden. Er hat mir die Hälfte von meinen verdammten Kunden geklaut. Ich wurde jeden Tag wütender. Und Trey machte das große Geld, mein Geld. Aber das war es nicht. Es war … es war was anderes. Scheiße, ich kann es nicht erklären.«
    Die lange, braune Zigarette wanderte herum. »Hattest du Angst?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte Andray empört. Fast musste er lachen. Dann überlegte er. »Ja, vielleicht«, gab er zu. »Aber nicht vor Trey. Vor niemandem eigentlich. Da war einfach nur diese Angst. Ich dachte zum Beispiel immer, da schleicht sich einer von hinten an und so einen Mist.«
    »Das nennt man posttraumatische Belastungsstörung«, erklärte ich. »Wenn einem etwas ganz Schlimmes zustößt, glaubt man, es könnte jederzeit wieder passieren. Man hat Angst, auch wenn es dafür keinen Grund gibt.«
    Die Jungen sahen einander nickend an. Das musste ich ihnen nicht erklären.
    Andray runzelte die Stirn. »Ja, so war es, mehr oder weniger. Immer diese Angst, diese Angst vor nichts. Ohne Grund. Jedenfalls«, fuhr er fort, »sage ich mir eines Tages: Okay, das reicht. Jeden anderen Wichser, der mir den Umsatz kaputt macht, hätte ich längst umgenietet. Und jetzt ist Trey dran. Ich sage ihm also: Wir treffen uns um Mitternacht unten an der Calliope. Das war im Januar – letzten Januar, ist genau ein Jahr her. Ich hab das ganz normal gesagt: Wir treffen uns an der Calliope.« Er sprach den Namen der Sozialsiedlung, die so hieß wie die Muse, Kalli -ope aus. »Also bin ich mit ein paar von meinen Jungs nach elf zur Calliope. Trey war schon da. Allein. Er hatte wohl nicht mal eine Waffe dabei. Nichts. Einfach nur Trey. Als hätte er es gewusst.

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