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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Taschen seiner Riesenjeans und zog einen Plastikbeutel mit den kleinen, braunen, handgedrehten Zigaretten heraus und dann ein dickes Geldbündel. Er steckte die fünf Zwanziger dazu und machte sich daran, Geld und Beutel einzustecken, als Andray seinen Arm festhielt.
    »Gib eine aus«, sagte er.
    Terrell sah mich an.
    »Los«, sagte ich. Terrell zog eine der langen, dünnen, schrumpeligen Zigaretten aus der Tüte und zündete sie an. Er reichte sie weiter. Als ich an der Reihe war, nahm ich einen tiefen Zug und behielt das Gift so lange wie möglich in der Lunge.
    Drogen entführten in andere Welten – manche davon waren schön, andere furchtbar. Das Entscheidende war aber nicht, ob sie schön waren oder nicht. Entscheidend war, dass man in manchen Welten Hinweisen begegnete.
    Nach kurzer Zeit war ich hundemüde und überzeugt, der Truck habe Schlagseite. Dabei war ich mehr oder weniger wach. Die Jungs unterhielten sich. Ich verstand kaum ein Wort. Ich schaute ihnen beim Reden zu: Zu zweit waren sie andere Menschen als allein. Zu zweit waren sie lebendig und hoffnungsfroh, vielleicht sogar glücklich. Sie sprachen ihre eigene Sprache, die sich in vielen Jahren des Teilens von Wahrheiten und Geheimnissen herausgebildet hatte.
    Während ich sie beobachtete, fiel mir ein bislang übersehenes Detail auf. Terrell und Andray trugen die gleiche Tätowierung an der Innenseite des rechten Unterarms, fast in der Armbeuge, drei ineinander verschlungene Buchstaben in fast keltischer Anmutung, zwei Ts und ein A.
    »Wer ist der andere T?«, fragte ich und unterbrach damit ihre Unterhaltung.
    Keiner der beiden gab eine Antwort, aber ich spürte die Stimmung im Wagen umschlagen. Ihr Gelächter war verflogen, weit, weit weg.
    »Ihr kennt euch sicher schon lange, hm?«, fragte ich, um einen anderen Zugang zu finden.
    »Unser ganzes Leben lang«, sagte Terrell. »Andray ist mein Bruder.«
    Die Jungen vollführten einen besonderen Handschlag und lächelten. Aber etwas fehlte. Man konnte die Traurigkeit im Wagen förmlich spüren.
    »Wer ist der andere T?«, fragte ich noch einmal.
    Keiner sagte etwas. Die Zigarette ging reihum. Inzwischen war ich überzeugt, dass wir an einem steilen Hang geparkt hatten, so sehr hing der Truck nach links. Ein Wunder, dass ich noch auf meinem Platz saß. Ich fragte mich, ob es ein Fehler gewesen war, die Airbags zu deaktivieren.
    Nach einer langen Weile sagte Andray: »Trey war das. Der andere T.«
    »Wo ist er?«, fragte ich.
    Wieder saßen wir lange Zeit rauchend und schweigend da.
    »Ich habe ihn erschossen«, sagte Andray schließlich.
    »Du hast ihn erschossen?«, wiederholte ich. Er reichte mir die braune Zigarette, ohne mich anzusehen. Ich nahm einen tiefen Zug.
    Andray nickte. »Ja. Hab ihn erschossen.« Er war so verstockt – oder so high –, dass ich seine Gedanken unmöglich erraten konnte. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Terrell tat es ihm gleich.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Na ja, als wir zurückkamen …«, fing Terrell an.
    »Nein, nein«, ging Andray dazwischen. »Lass mich von vorn anfangen. Wissen Sie, wir drei, wir sind zusammen aufgewachsen. Wir waren die dicksten Freunde.«
    » Echte Freunde«, sagte Terrell, »nicht so wie die anderen hier, die immer sagen, sie wären dein Freund, und sich einen Scheiß drum kümmern, ob du lebst oder tot bist. Nein, nicht wir, wir waren wie Brüder.«
    »Ich weiß nicht mal mehr, wie wir uns kennengelernt haben«, sagte Andray. »Ich weiß nicht mehr, wie es ohne die beiden war. Dabei haben wir nicht mal zusammen gewohnt, Terrell war in einer Pflegefamilie, Trey in einer anderen und ich in meiner. Aber irgendwie haben wir uns immer wiedergefunden. Wir sind uns ständig über den Weg gelaufen. Und dann haben wir zusammen gearbeitet. Im Alter von elf oder zwölf haben wir angefangen, für dieselben Leute zu arbeiten. Das war … das war gut.« Er lächelte. »Ich meine, aus heutiger Sicht war es nichts. Wir haben wenig verdient. Aber wir konnten uns CDs davon kaufen und Turnschuhe. Treys Mom hat gut verdient, die war auch ein Slinger« – ich vermutete, das bedeutete Dealer, war mir aber nicht sicher –, »und sie hat uns ein Auto gekauft. Eine verbeulte Schrottkiste, einen uralten Mercury. Mann, was waren wir stolz! Wir sind damit rumgefahren und haben Musik gehört und Mädchen mitgenommen. Wir haben Blödsinn gemacht. Wir hatten Spaß. Wir waren wie Brüder. Immer zusammen. Wir wussten alles übereinander.

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