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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Papageien in einer Lebenseiche.
    »Der Papagei ist von hier, oder?«, fragte ich. »Einer von den grünen?«
    DeShawn lächelte. »Ja«, sagte er. »Hab ich mir nach der Evakuierung stechen lassen, in Kalifornien. Ist ganz gut geworden, was?«
    »Wirklich toll«, sagte ich. Das stimmte nicht, aber ich hatte schon schlechtere Tätowierungen gesehen. Ich hatte schlechtere Tätowierungen. »Den meisten Leuten fallen sie nicht einmal auf«, sagte ich. »Wie bist du auf die Idee gekommen?«
    »Ich weiß«, sagte er lächelnd. »Die meisten Leute wissen nicht mal, dass sie hier leben. Die schauen nie nach oben«, sagte er. »Der hat mich wohl an zu Hause erinnert. Daran, dass ich irgendwann zurückkomme.«
    »Dann warst du während des Sturms hier?«, fragte ich. »Du und deine Mom?«
    Er nickte. »Klar. Wir haben drei Tage auf dem Dach gesessen.«
    »Du liebe Güte«, rief ich, »das ist ja schrecklich. Hör mal, darf ich dich was fragen? Kennst du einen Jungen namens Andray Fairview?«
    »Claire«, sagte Mick verärgert, »ich bitte dich …«
    »Sorry«, sagte ich zu beiden, »aber …«
    DeShawn schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht«, sagte er.
    »Wie wäre es mit dem«, sagte ich und zog das Bild von Vic heraus, noch bevor Mick einschreiten konnte. »Kennst du den?«
    »Claire!«, rief Mick. »Das ist ja wohl die …«
    Als DeShawn das Bild von Vic sah, wurde er schlagartig kreidebleich.
    Mick fand wohl, es war die Höhe, DeShawn nach Vic zu fragen, und vermutlich hatte er recht. Aber es wäre unverzeihlich gewesen, einen Hinweis vorbeirauschen zu lassen, bevor er sich mir offenbaren konnte.
    Man braucht nichts weiter zu tun, als zuzuhören. Man darf ihnen nicht über den Mund fahren, wenn sie sprechen wollen. Dann werden die Hinweise einem verraten, was man wissen will. Und wenn man sich von einem Hinweis zum anderen hangelt, egal in welcher Richtung, kommt man irgendwann bei der Wahrheit an.
    Auch wenn die Wahrheit manchmal sehr schmerzlich ist.
    »Tut mir leid«, sagte ich, »ich hätte später wiederkommen sollen, nach deiner Schicht. Ich weiß, er …«
    »Ja«, sagte DeShawn. Er hielt sich an der Tischkante fest, als sei ihm schwindelig. »Du lieber Gott. Tut mir leid, aber ich muss …«
    »Bitte«, sagte ich und schob ihm einen Stuhl hin. Der Junge setzte sich.
    »Tut mir leid«, sagte er, »aber die Erinnerungen kommen zurück, verstehen Sie?«
    »Ja«, sagte ich, »natürlich. Ich meine, immerhin hat Vic … na ja.«
    »Vic?«, sagte DeShawn. »Ich wusste seinen Namen nicht. Kennen Sie ihn?«
    Ich war verwirrt.
    »Du kennst ihn nicht?«, fragte ich.
    »Doch«, sagte DeShawn, »ich meine, nein, eigentlich nicht. Er …«
    »Er?«, fragte ich.
    DeShawn sah verwirrt zwischen mir und Mick hin und her.
    »Tut mir leid«, wiederholte ich. »Woher kennst du diesen Mann?«
    »Er hat mir das Leben gerettet«, sagte DeShawn, »der Mann hat mir das Leben gerettet, und meiner Mom auch. Er hat uns von unserem Dach im Neunten Bezirk geholt. Er hat uns gerettet.« Er fing zu weinen an. »Er ist gekommen, um uns zu retten, als die ganze verdammte Welt uns vergessen hatte. Er hat uns geholt. Er allein.«
    »Er?«, fragte Mick und runzelte verwirrt die Stirn. »Bist du sicher?«
    »Er«, sagte DeShawn und zeigte auf das Foto. »Ja, ich bin mir sicher.«

51
    D eShawn hörte zu weinen auf und starrte wie hypnotisiert auf das Bild.
    »Ich und meine Mom«, sagte er, »saßen drei Tage auf dem Dach. Drei verdammte Tage. Kein Essen, kein Wasser, nichts. Die Küchenschränke waren voll gewesen, aber die Flut hatte alles weggespült. Über uns flogen die Helikopter, wir haben geschrien wie die Irren. Am Anfang. Es sind sogar ein paar Boote vorbeigekommen, aber die waren alle voll. Und die Helikopter haben nichts für uns hinuntergeworfen. Ich weiß nicht, wozu die da rumgeflogen sind. Jedenfalls nicht, um uns zu helfen.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich verstehe es bis heute nicht«, sagte er. »Warum keiner kam, meine ich. Ich habe alles nachgelesen, ich weiß, was passiert ist. Aber ich kann es immer noch nicht verstehen. Meine Mom … wird damit nicht fertig. Sie wird nicht damit fertig, dass keiner uns geholfen hat.«
    Er saß für eine Weile mit verzerrtem Gesicht da.
    »Bis er kam«, sagte er dann und zeigte auf das Foto. »Am dritten Tag. Genau genommen war es Nacht. Wenn es dunkel wurde – das war gut, denn dann war es nicht mehr so heiß. Das war angenehm. Aber es war so dunkel. So eine Dunkelheit haben Sie

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