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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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sagte ich, konnte aber nicht aufhören zu lächeln.
    »Was ist?«, fragte DeShawn.
    »Ich muss los«, sagte ich. »Ich muss sofort los.«
    Ich bedankte mich bei DeShawn und bezahlte die Rechnung, und Mick und DeShawn versprachen einander, in Kontakt zu bleiben und sich um DeShawns Mutter zu kümmern. Mick fuhr mich nach Downtown zurück. Er glaubte immer noch, mein Truck sei kaputt. Er hielt vor dem Hotel.
    »Dann war es das wohl«, sagte er. »Ich denke, nun wissen wir, was Vic Willing zugestoßen ist.«
    Ich betrachtete Mick. Er sah beinahe glücklich aus. Wenn Vic sich von seinen Sünden reingewaschen hatte, konnte jedermann erlöst werden, sogar Mick mit seinen Schuldgefühlen und der endlos langen Liste vermeintlicher Sünden. Sogar die Kinder, die er betreute und die aus nichtigstem Anlass zu Mördern wurden und sich einen Dreck um die Zukunft kümmerten. Sogar ich mit meinen schlechten Angewohnheiten und meinem verlotterten Wesen.
    Ich wusste, er wollte zu gern daran glauben. Er war darauf angewiesen.
    Aber es war nicht die Wahrheit.
    Mick sah mich an. »DeShawn hat es uns eben erzählt«, sagte er. »Vic ist ertrunken. Er hat versucht, Leute zu retten, und ist dabei verschollen.«
    Ich nickte. Mick musterte mich.
    »Claire«, sagte er. Er sah unglaublich enttäuscht aus. »Claire. Das kann nicht dein Ernst sein!«
    Ich schwieg.
    »Du hast deine Antwort«, sagte er, »du hast die Lösung gefunden. Die Lösung, die du gesucht hast. Das ist sie!«
    Ich schüttelte den Kopf. »Mick«, fing ich an und unterbrach mich sofort. Normalerweise hätte ich jetzt gesagt: Du irrst dich, oder Du bist ein Idiot, oder Du hast nie ein besonders gutes Auge für die Hinweise gehabt.
    Aber nicht heute. Mick hielt es für ein Happy End, das sogar noch die Möglichkeit eines größeren, allumfassenden Happy Ends beinhaltete. Er hielt diesen Fall für den Mikrokosmos, exemplarisch für den Makrokosmos der Stadt und ihrer Bewohner.
    Ich betete zu Gott, dass er sich täuschte. Denn hier gab es kein Happy End.
    Ich wusste immer noch nicht genau, was Vic Willing zugestoßen war. Aber ich hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, und ich wusste, wo der Rest der Geschichte zu finden wäre.
    »Mick«, sagte ich sanft, »ich weiß ja, du denkst, DeShawn hätte uns eben die Auflösung der Geschichte verraten. Was er uns erzählt hat, war wirklich wichtig. Aber es ist noch nicht das Ende. Es ist keine Auflösung.«
    »Was dann?«, fragte Mick gereizt.
    »Es ist wie immer«, sagte ich, »es geht um den allerersten Hinweis, den du gleich zu Beginn übersehen hast. Derselbe Hinweis, den du jetzt in diesem Moment übersiehst.«
    Wir starrten beide geradeaus.
    »Verdammt, Claire«, sagte Mick, »kannst du nicht ein einziges …«
    »Nein«, sagte ich, »niemals.«
    Mick schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen. Ich stieg aus.

    »Selbstverständlich kann jeder erlöst werden«, sagte Silette im Interview von 1978. »Egal, welches Verbrechen er begangen hat. Was hingegen keiner versteht, ist, dass die Erlösung der Verbrechensaufklärung gleicht; man muss es persönlich tun, aus eigenen Motiven und in der eigenen Zeit, und nicht aus einem dummen Ideal einer besseren Welt heraus, oder weil man einer kindischen Vorstellung von Gut und Böse anhängt. Es gibt nur einen Weg, nämlich sich ganz auf sich selbst zu besinnen, was natürlich für die meisten von uns das Letzte ist, was sie möchten. Man muss tauchen, bis auf den Grund. Erst dann kann man ein neues Leben beginnen.«

    Ich saß in meinem Zimmer auf dem Hotelbett, drehte die Heizung voll auf und warf das I Ging.
Hexagramm vier: Wolken über Feuer. Die Wolken umgeben das Feuer, ohne es zu löschen. Manche Feuer brennen wahr, andere falsch. Wahres Feuer wärmt die Hände. Falsches Feuer brennt, ohne je zu wärmen. Die besten Feuer verbrennen alles in ihrem Umkreis, um das vollkommene Nichts zu hinterlassen. Der Weise weiß, dies ist der beste Ort.
    Ich setzte mich in meinen Truck und fuhr ins vollkommene Nichts.

52
    D ie Straßen des Neunten Bezirks waren von einer graubraunen Schlammkruste überzogen. Alles andere auch. Nichts war gesäubert worden. Zwischen den Schutthaufen lagen winzige Bruchstücke menschlichen Lebens: ein Schuh, ein Buch, ein BH. Es stank nach Müll und Moder und Tod. Einige Häuser waren ineinandergeschoben worden und bildeten unübersichtliche Geröllberge. Autos und Boote und Wohnwagen und Stücke von anderen Häusern thronten auf den Ruinen oder steckten seitlich

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