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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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konnte sie nicht zusehen lassen, wie noch ein Mensch, den sie liebt, durch diese Türen geht.« Laud vergrub die Hände tief in den Taschen. »Es sieht ganz so aus, als würde uns letztendlich jeder verlassen.«
    Lily biss sich so fest auf die Lippen, dass sie Blut schmeckte. Sie streckte die Hand aus und legte sie auf seinen Unterarm. Durch den Stoff spürte sie die immer noch geschwollenen Umrisse der Narbe von Pauldrons Angriff. Laud sah sie nach wie vor nicht an.
    »Wenn es einen anderen Weg gäbe, wenn ich irgendjemand anderen als den Direktor selbst fragen könnte …«, setzte sie an, doch Laud hielt sie zurück und legte seine Hand auf ihre.
    »Ich weiß«, sagte er leise. »Und es hat keinen Sinn zu versuchen, es dir auszureden.« Nun sah er sie an, und in seinen Augen brannte die gleiche Entschlossenheit, die sie dort schon einmal gesehen hatte, als sie in jener schrecklichen Nacht auf dem Dach des Almosenhauses gestanden hatten. »Ich bezweifle jedoch, dass irgendein Geheimnis das alles wert sein kann.«
    Einen Moment lang verspürte Lily das Verlangen, die Sache noch einmal zu überdenken. Sie könnte ganz einfach umkehren, ihre Ausbildung bei Theo fortsetzen und sich im Almosenhaus nützlich machen. Sie könnte einem Menschen nach dem anderen helfen und täglich sehen, was sie ihnen Gutes tat.
    Sie könnte dort bleiben und würde niemals erfahren, wer sie war oder was alles geschehen mochte.
    »Sag Mark, dass es mir leidtut, dass ich nicht bei ihm war«, sagte sie.
    Laud nickte. Jetzt lag ein anderer Ausdruck auf seinem Gesicht – ein Ausdruck des Schmerzes, aber viel zarter als der gequälte Blick, den er sonst zur Schau trug.
    »Außerdem«, sagte er, »würde ich gern sehen, wie sie es anstellen wollen, dich verschwinden zu lassen.« Der Anflug eines Lächelns zeigte sich auf seinen Lippen. »Bis Sonnenuntergang bist du wieder im Almosenhaus und löst das Geheimnis des ewigen Lebens.«
    Auch Lily lächelte, aber nur einen Moment.
    Plötzlich stand eine dritte Person neben ihnen, deren Näherkommen sie überhaupt nicht bemerkt hatten. Es war ein Eintreiber, obendrein ein ihnen nicht unbekannter.
    »Miss Lilith«, sagte Inspektor Greaves mit einer knappen Verbeugung. »Sie werden drinnen erwartet.« An Laud gewandt fügte er hinzu: »Der Termin gilt nur für einen, Mr Laudate.«
    »Schon klar, Inspektor«, erwiderte Laud schroff, machte einen Schritt zur Seite und drehte dem Direktorium den Rücken zu.
    Lily sah, dass der Inspektor sie neugierig betrachtete.
    »Sind Sie bereit, Miss Lilith?«
    Lily nickte und setzte sich in Bewegung.
    Als sie an Laud vorbeiging, streifte seine Hand die ihre, und ihre Finger schoben sich ganz kurz ineinander. Keiner von beiden sah den anderen an. Es gab nichts mehr zu sagen. Mit dem nächsten Schritt spürte sie, wie sich ihre Hände wieder voneinander lösten.
    Greaves ging ihr quer über den Platz voraus, während die beiden Eintreiber, die vor dem Eingang Wache standen, die riesigen Türflügel öffneten.
    Als Lily hinter dem Inspektor über die Schwelle in die dahinter liegende Düsternis trat, verspürte sie einen plötzlichen Schmerz. In der Hoffnung, Lauds Blick zu begegnen, schaute sie sich noch einmal um. Es war zu spät. Die Türen hatten sich bereits leise hinter ihr geschlossen.
     
    Im Direktorium roch es nach Pergament und Tinte, ein Duft, der von einem eigenartigen, alles durchdringenden Geruch nach Alter fast überlagert wurde. In dieser Hinsicht fühlte sie sich an die Buchbinderei erinnert – ein Tempel des geschriebenen Wortes. Während sie Greaves durch die holzvertäfelten Flure folgte, nahm die Zahl der Fenster immer mehr ab, bis er gezwungen war, eine Öllampe von der Wand zu nehmen und ihnen auf dem weiteren Weg zu leuchten.
    Als sie an einer schmalen Seitentür vorbeikamen, die sich fast unsichtbar in die Wandtäfelung schmiegte, hörte Lily Stimmen, die aus dem Korridor vor ihnen zu kommen schienen. Zu ihrer Überraschung blieb der Inspektor mit sorgenvollem Gesichtsausdruck abrupt stehen. Dann öffnete er mit einer entschlossenen Bewegung die schmale Tür, die in einen dunklen Abstellraum führte, und schob Lily hinein. Sie wusste instinktiv, dass sie sich jetzt ganz still verhalten musste. Der Inspektor machte die Tür hinter ihr wieder zu.
    Sie wartete einige Minuten in der Dunkelheit und lauschte den Schritten draußen auf dem Steinboden. Hin und wieder hörte sie Greaves Stimme, die einen Gruß murmelte. Sie war sich nicht ganz sicher,

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