Die Stadt der verkauften Traeume
so ganz durchgesetzt. Ich entnehme den Unterlagen, dass wir das Geschäft letztendlich geschlossen haben.«
»Es gab Beschwerden wegen Betrugs, Sir«, fügte Pauldron naserümpfend hinzu. »Einige der Kunden fühlten sich nicht anders, selbst nach wiederholter Nutzung.«
»Allerdings«, stimmte ihm Greaves zu. »Die Unterlagen belegen, dass das Gebäude bis zum letzten Jahr leer stand und dann von einem gewissen Doktor Theophilus als medizinische Praxis übernommen wurde.« Er runzelte die Stirn. »Die Unterlagen belegen außerdem, dass ihm ein Teil davon gehört und dass er den Rest der Immobilie von Miss Devine gepachtet hat.« Der Inspektor sah sich nachdenklich im Raum um. »Mit anderen Worten, er ist rechtlich verantwortlich für alles, was unter diesem Dach vorgeht. Ich hoffe, dass er sich nicht vor unserer Befragung drückt.«
»Aber nein, Sir, der Doktor besucht einen Patienten«, log Lily. Genau das hatte er ihr zwar gesagt, aber sie kannte ihn besser. Seit er erfahren hatte, dass sein Großvater verschwunden war, hatte sie ihn nur selten in der Praxis gesehen. Er ging jeden Tag hinaus und kam jede Nacht spät zurück, und jedes Mal sah er blasser aus als zuvor. Wenn er seine Sucherei in den Elendsvierteln nicht aufgab, war es nur eine Frage der Zeit, bis er sich mit einer der neuen Krankheiten ansteckte. Krankheiten, neben denen die Graue Seuche sich wie ein leichter Husten ausnahm.
»Wie dem auch sei«, fuhr der Inspektor fort, Lilys besorgten Blick geflissentlich übersehend. »Sie sind seine Gehilfin?«
»Ganz recht, Sir.«
»Das allein ist schon ungewöhnlich. Ihre Akte verweist auf keinerlei medizinische Ausbildung. Kommen Sie aus einer Heilerfamilie?«
Lily überlegte einen Augenblick, bevor sie antwortete. Wieder musste sie an das denken, was sie im Waisenhaus erfahren hatte – oder besser gesagt, was sie nicht erfahren hatte.
»Nein, Sir«, sagte Lily leise, sie wusste nur allzu gut, dass sie sich irren konnte. Ein Stück feinen Stoffs und ein Beutel mit Edelsteinen waren ihre einzige Verbindung zur Vergangenheit. Vielleicht waren ihre Eltern Ärzte gewesen und hatten sich mit einer der Seuchen angesteckt – das würde erklären, warum sie sich zwar Edelsteine leisten, aber ihre Tochter nicht behalten konnten.
»Und das andere Mädchen?«, fuhr der Inspektor fort. Er konnte nicht ahnen, was in Lily vorging.
»Ich bin nur die Hilfskraft«, rief Benedikta fröhlich herüber. »Ich habe meine alte Stellung verloren, als meine Herrin mich nicht mehr brauchte.«
»Nur Sie beide?«, fragte der Inspektor ungläubig.
»Es kommen noch mehr«, fuhr Benedikta fort und faltete ein Leintuch zusammen. »Mein Bruder und meine Schwester wollen uns dabei helfen, unsere Arbeit überall bekanntzumachen. Das können sie sehr gut.«
»Benedikta ist hier, um für das Almosenhaus zu arbeiten«, erklärte Lily. »Der Doktor hat seine Einwilligung gegeben.«
»Einwilligung wozu?«, brummte Pauldron, und blätterte in seinen Notizen. »Sie haben noch nicht erklärt, was genau dieses Almosenhaus überhaupt soll.«
»Das könnte daran liegen, dass wir sie noch nicht danach gefragt haben, Sergeant«, sagte der Inspektor trocken. Er wandte sich an Lily und hob die Augenbrauen.
»Das Almosenhaus ist kein Geschäft im herkömmlichen Sinne, Inspektor Greaves«, sagte Lily und wedelte mit den Händen, während sie versuchte, es zu erklären, obwohl sie es manchmal selbst kaum verstand. »Es ist … eine Idee. Ein Konzept …«
»Eine Absteige für Schuldner und Ausschuss«, bemerkte der Sergeant und zupfte angewidert an dem Bettzeug, das Benedikte faltete und auf einen Stapel türmte.
»Unter anderem«, entgegnete Lily mit betont fester Stimme. »Wir speisen die, die nichts besitzen, um es gegen Essen zu tauschen, und bieten einigen von ihnen ein Obdach, unter dem sie schlafen und sich waschen können. Der Doktor hat sich bereit erklärt, einige von denen zu behandeln, die krank sind. Die schlafen zur Zeit unten im Keller.«
»Das klingt, als würden Sie Leute dazu ermuntern, Schuldner zu werden, Miss Lilith«, sagte der Inspektor jovial, aber mit einem Hauch von Unnachgiebigkeit in der Stimme.
»Wir haben vor, diejenigen, die dazu in der Lage sind, darum zu bitten, Essen zu machen«, erwiderte Lily hastig und versuchte, die verständlicheren Teile ihres Plans in den Vordergrund zu rücken. »Wir wollen den Gesunden dabei helfen, Arbeit zu finden und in ihr altes Leben zurückzukehren.«
»Ihnen vielleicht
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