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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorsichtigen Schritten,
und
Mike folgte ihm auf dieselbe Weise. Sein Herz klopfte. Er
glaubte jetzt immer deutlicher eine huschende, unheimliche
Bewegung vor sich wahrzunehmen, konnte aber immer noch
nicht genau erkennen, worum es sich handelte.
Als er es dann endlich sah, war er überrascht, aber
nicht
wirklich erschrocken.
In dem grünen Dämmerlicht tauchte ein sonderbares Geschöpf
auf. Es war nicht einmal so groß wie seine Hand und ähnelte
einer Krabbe, besaß aber acht Beine anstelle von sechs und zwei
unterschiedlich große Scheren. Die eine war winzig und sah fast
so aus wie eine zweifingerige Hand, die andere dafür umso
größer, eine für ein so kleines Geschöpf mächtige Waffe, der
Mike es durchaus zutraute, einem Menschen einen Finger
abzuknipsen. Das Tier hatte einen grünbraunen, ziemlich massiv
aussehenden Panzer und bewegte sich seitwärts, statt geradeaus
zu gehen. Es sah sonderbar aus, aber nicht sehr bedrohlich.
Sarn schien das anders zu sehen, denn er erstarrte regelrecht
zur Salzsäule. Das Tier hielt eine Handbreit vor seinen Füßen
an, bewegte unsicher die größere Schere und musterte Sarn
dabei aus seinen grotesken, auf langen Stielen sitzenden Augen.
Nach einigen Sekunden trippelte es wieder seitwärts davon und
verschwand in der Dunkelheit, aus der es gekommen war.
Als Mike ihm mit Blicken folgte, stockte ihm fast der Atem.
Und plötzlich verstand er nur zu gut, warum Sarn sich so
verhielt.
Die Wände waren schwarz von kleinen Krabbentieren.
Es mussten nicht Hunderte, sondern im wahrsten Sinne des
Wortes unzählige sein. Sie krabbelten einzeln über den Boden,
hingen in großen Trauben an den Wänden, krochen
übereinander her und flitzten manchmal sogar an der Decke
entlang. Nicht allen gelang es. Eines der Tiere verlor den Halt
und fiel nur ein kleines Stück vor Sarns Füßen herab, richtete
sich aber sofort wieder auf und verschwand. Sein Panzer schien
äußerst stabil zu sein.
Die Zahl der Tiere nahm noch zu, je weiter sie in die Höhle
eindrangen. Die Wände waren jetzt total von grünen Leuchtalgen
bedeckt; trotzdem bewegten sie sich eine Zeit lang durch fast
völlige Dunkelheit, weil die Masse der Krabbentiere das Licht
einfach verschluckte. Und mit jedem Schritt, den sie taten, hatte
Mike mehr das Gefühl, aus unheimlichen Augen angestarrt zu
werden.
Sarn blieb immer wieder stehen, wenn eines der Tiere
seinen
Weg kreuzte oder ihm nahe kam.
Auf diese Weise brauchten sie eine geraume Weile, bis sie
das Ende des Stollens erreicht hatten. Der Fels bildete hier eine
regelrechte Treppe aus unterschiedlich hohen asymmetrischen
Stufen, auf denen die Zahl der Krabbentiere abnahm. In dem
dahinter liegenden Teil der Höhle herrschte wieder helleres
Licht. Dort bedeckten keine Krabben die Wände.
Er zitterte am ganzen Leib, als sie das obere Ende des Absatzes
erreicht hatten. Er wollte weitergehen, aber Sarn schüttelte den
Kopf und ließ sich unmittelbar an der Kante niedersinken.
»Warte«, flüsterte er schwer atmend. »Nur einen Moment.«
Mike war davon nicht begeistert. Sie waren aus dem Tunnel
der Krabben heraus, aber er hatte ja selbst gesehen, wie schnell
sich die kleinen Geschöpfe bewegen konnten. Die Treppe würde
sie nur Sekunden aufhalten.
Sie mussten sich nicht allzu lange gedulden. Das Ende
des
Tunnels, durch das sie selbst hereingekommen waren, war als
münzgroßer Lichtfleck in der Entfernung zu sehen. Nach kaum
fünf Minuten tauchte der Umriss des ersten Verfolgers darin
auf, dann der zweite, dritte, vierte. Mike konnte sehen, dass sich
die Männer aufrichteten und umsahen.
»Wir sollten sie warnen«, flüsterte Mike.
Sarn nickte. »Ganz wie du meinst.« Dann richtete er sich auf,
bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund und
schrie, so laut er konnte: »He! Geht nicht weiter! Es ist euer
sicheres Verderben!«
Mike keuchte. Sarns Worte schallten als vielfach gebrochenes
Echo von den Wänden zurück und sie lösten auch ein sichtbares
Echo unter den Krabben aus. Die Tiere bewegten sich unruhig.
Ein zischelndes Rasseln erklang; wie Millionen Kieselsteine, die
übereinander rollten.
Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Die Männer vorne am
Höhleneingang machten nicht kehrt, sondern kamen im
Gegenteil rasch auf sie zu. Von der Gefahr, in die sie sich
begaben, hatten sie offenbar keine Ahnung.
»Bleibt stehen, ihr Dummköpfe!«, schrie Sarn. »Ihr lauft in
den Tod!«
Diesmal begannen einige der Krabben tatsächlich in
ihre
Richtung zu

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