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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kriechen. Sarn nahm jedoch keinerlei Notitz
davon, sondern sah zu, wie die Männer rasch näher kamen.
Die zwei, drei Krabben, die vor ihnen über die Kante
gekrochen kamen, schleuderte er mit Fußtritten in die Tiefe
zurück.
Dann jedoch bückte er sich plötzlich, hob eine der Krabben
auf und schleuderte sie mit einer mächtigen Bewegung in den
Tunnel hinein. Das Tier traf einen der Männer an der Schulter
und prallte ab. Der Mann stolperte mit einem überraschten
Schrei zurück
– und in dem von trübgrünem Licht erfüllten
Tunnel unter ihnen brach die Hölle los.
Die gesamten Wände gerieten in Bewegung. Es schien, als
ob sich der Tunnel selbst auf die Männer stürzte und sie einfach
verschlang. Gellende Schreie erklangen und das Zischeln und
Rasseln steigerte sich zu gewaltiger Lautstärke.
Sarn packte Mike an der Schulter, wirbelte ihn herum und riss
ihn einfach mit sich.
    »Du hast sie ... umgebracht!« Mikes Stimme zitterte
noch
immer, obwohl es gute zehn Minuten her war, seit sie diesen
Teil der Höhlen erreicht und sich zum Ausruhen auf den Felsen
niedergelassen hatten. Sie waren nicht mehr in Gefahr; die
Krabben waren zwar schnell, aber nicht sehr ausdauernd; die
Tiere hatten sie einige Schritte weit verfolgt und dann
aufgegeben, wahrscheinlich, um sich ihren viel bequemer
erreichbaren Opfern weiter vorne im Stollen zuzuwenden.
Seither war ihnen kein lebendes Wesen mehr begegnet.
Trotzdem hämmerte Mikes Herz noch immer zum Zerreißen und
er war nach wie vor von einem kalten, lähmenden Entsetzen
erfüllt. Nur dass es jetzt einen vollkommen anderen Grund hatte.
»Du hast sie einfach umgebracht!«, sagte er noch einmal, als
    Sarn nicht antwortete. »Vier Menschen!«
»Vier Männer der Palastgarde«, antwortete Sarn hart.
»Jeder von ihnen hat mindestens ein Dutzend Menschenleben
    auf dem Gewissen.«
»Das ist doch kein Grund, sie einfach umzubringen!«,
empörte sich Mike in scharfem Ton.
    Für einen Moment verfinsterte sich Sarns Gesicht vor
Zorn
und Mike konnte sehen, wie sich die Muskeln in
seinen
Schultern und Oberarmen spannten; als würde er zum Schlag
ausholen. Dann aber seufzte er nur tief und schüttelte den Kopf.
»Hätte ich noch einen Beweis gebraucht, dass du einer von
denen bist, nach denen wir suchen, dann hätte ich ihn jetzt«,
sagte er. »Niemand würde es wagen, so mit einem Krieger zu
sprechen.«
    Mike erschrak bis ins Mark. Für einen Moment hatte
er
einfach vergessen, wem er gegenüberstand. Und für
einen
weiteren Moment war er ganz sicher, dass Sarn ihn jetzt
augenblicklich töten würde.
    Sarn tat jedoch nichts dergleichen. Er wurde nicht
einmal
wütend, sondern sagte im Gegenteil in fast
versöhnlichem
Ton: »Ich hätte sie nicht retten können, glaub mir. Sie waren
im selben Moment verloren, in dem sie die Höhle betraten.
Die Fangkrebse hätten sie auf jeden Fall getötet. Sie
vernichten alles, was ihnen in den Weg kommt.«
»Uns haben sie auch verschont«, widersprach Mike.
    Sarn fuhr sich mit den Fingern über das Gesicht und hielt sie
Mike entgegen. »Wir hatten die Salbe«, sagte er. »Sie verdeckt
unseren Körpergeruch. Und wenn man sich langsam und
vorsichtig bewegt, übersehen sie einen manchmal. Aber nur
manchmal. Ich war nicht sicher, ob wir es schaffen.«
»Wovon leben diese Tiere?«, fragte Mike. »Es müssen
    Tausende sein!«
»Sie gehen auf die Jagd«, antwortete Sarn. »Diese
Höhlen
hier sind ihr Jagdrevier. Deshalb können wir auch nicht lange
bleiben. Wenn sie ausschwärmen, dann ist nichts vor ihnen
sicher ... Aber keine Angst.
Im Moment sind sie satt. Wir haben also ein wenig Zeit.«
Mike fand die letzte Bemerkung ziemlich geschmacklos.
Deshalb ging er auch nicht weiter darauf ein, sondern fragte:
»Wohin bringst du mich?«
»An einen geheimen Ort«, antwortete Sarn. »Die Führer des
Widerstands wollen dich sehen. Ich und andere haben seit
Wochen nach dir gesucht.« Er stand auf. »Und nun komm
weiter. Die Fangkrebse sind nicht die einzige Gefahr, die in
diesen Höhlen lauert.«
Sie marschierten weiter. Der Weg erwies sich tatsächlich als
gefährlich, obgleich ihnen nicht ein einziges lebendes Wesen
begegnete, geschweige denn ein Raubtier. Doch was als kaum
sichtbarer Spalt im Fels begonnen hatte, das erwies sich mehr
und mehr als gewaltiges unterirdisches Labyrinth, in dem sich
Mike alleine schon nach wenigen Minuten hoffnungslos verirrt
hätte. Es war ihm ein Rätsel, wie Sarn hier die
Orientierung
behielt.
Doch selbst mit einem

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