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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mike ließ sich
ebenso wortlos darauf niedersinken.
Kaum hatte sein Kopf das harte Kissen berührt, da musste er
auch schon mit aller Gewalt gegen den Schlaf ankämpfen. Er
wusste, dass er sich trotz allem noch keine Ruhe gönnen konnte;
Singh würde zweifellos in wenigen Augenblicken kommen, um
allein mit ihm zu reden. Trotzdem kostete es ihn all seine Willenskraft nicht einzuschlafen.
Er wurde auch nicht enttäuscht. Es verging nicht viel Zeit, da
wurde der Vorhang vor der Tür zurückgeschlagen und der
Inder kam herein. »Schläfst du schon?«, fragte er leise.
»Tief und fest«, antwortete Mike. »Aber ich habe einen
furchtbaren Albtraum. Er dauert schon ziemlich lange und ich
weiß nicht, wie ich daraus aufwachen soll.«
»Es ist schön, dass du deinen Humor nicht verloren hast«,
sagte Singh, ohne dass sich auch nur die Spur eines Lächelns
auf seinem Gesicht gezeigt hätte. Er warf noch einen suchenden
Blick durch den Vorhang nach draußen, wie um sich zu
überzeugen, dass sie auch tatsächlich nicht belauscht wurden,
dann kam er auf Mike zu, machte aber eine abwehrende Bewegung, als Mike sich erheben wollte.
»Bleib liegen«, sagte er. »Du brauchst Ruhe. Und ich werde
nicht lange bleiben. Es gibt nur ein paar Dinge, die ich dir sagen
muss.«
»Ohne dass die anderen es hören«, vermutete Mike. »Ich hätte
mir eigentlich denken können, dass du der Führer des
Widerstandes bist.«
»Ich habe mich nicht darum gerissen«, sagte Singh.
»Und wie bist du es geworden?«
»Ich war Sklave wie du«, antwortete Singh. »Auch meine
Erinnerungen waren vollkommen ausgelöscht – ich nehme an,
dass es den anderen ebenso ergeht.«
»Also hat Argos uns belogen«, sagte Mike. »Belogen?« Singh
lächelte bitter und schüttelte den Kopf. »Er hat uns nur
versprochen, uns am Leben zu lassen, nicht mehr. Nicht, uns
unsere Erinnerungen zu lassen.«
»Was ja auch ein riesiger Unterschied ist«, sagte Mike mit
zynischem Unterton. »Ich meine: Wenn ich mein ganzes Leben
vergesse und sogar, wer ich selbst bin, dann bin ich ja eigentlich
so gut wie tot, oder?«
»Eine interessante Frage«, sagte Singh. »Aber ich bin nicht
hierher gekommen, um mit dir zu philosophieren – obwohl du
wahrscheinlich Recht hast.«
»Weshalb dann?«
»Es geht um die NAUTILUS«, antwortete Singh. In seiner
Stimme war ein ungewohnter, noch größerer Ernst als
bisher. »Du darfst in Gegenwart der anderen nicht mehr über sie
reden.«
»Warum?«, fragte Mike.
»Ich erkläre es dir, aber nicht jetzt«, antwortete Singh.
»Ich
kann nicht lange bleiben. Sarn und die anderen trauen mir nicht.
Ich will ihr Misstrauen nicht noch mehr schüren.«
»Sie trauen dir nicht? Ich dachte, du bist ihr Anführer?«
»Nur so lange sie es wollen. Und was Sarn angeht, er wollte
nicht wirklich. Im Grunde ist er der Anführer dieser Menschen.
All das hier hat er geschaffen, weißt du? Die
Widerstandsbewegung ist sein Werk.«
»Warum führt er sie dann nicht an?« »Bisher konnte er das
nicht«, antwortete Singh. »Bis gestern Morgen war er Mitglied
der Kriegerkaste. Er konnte nur im Verborgenen agieren. Jetzt,
wo er die Maske fallen gelassen hat, wird er über kurz oder lang
sein Recht fordern.«
»Und?«, fragte Mike. »Macht es dir etwa Spaß, den
Widerstandskämpfer zu spielen?«
»Natürlich nicht.« Singh wirkte ein bisschen verärgert. Er
sah wieder nervös zum Eingang. »Vertrau mir einfach. Rede
nicht mehr über die NAUTILUS und wundere dich nicht, wenn
ich vielleicht ... sonderbare Befehle gebe.«
»Sonderbare Befehle?«
»Ich weiß, wo Chris und Ben sind«, sagte Singh. »Und
ich
glaube, dass ich auch herausfinden kann, wo sie
Trautman
hingebracht haben.«
»Dann befreien wir sie!«, sagte Mike impulsiv.
»So einfach ist das nicht«, erwiderte Singh. »Ben und Chris
sind in die Eisengruben gebracht worden. Der Weg dorthin
ist weit und die Gefangenen werden streng bewacht. Wir
brauchen Sarns Hilfe, um sie zu befreien. Und die seiner Leute.«
»Und zum Dank willst du sie betrügen«, sagte Mike.
Singh
sah ihn eine Sekunde lang ausdruckslos an. Dann sagte er
ruhig: »Ich habe befürchtet, dass du so reagierst. Es ist nicht so,
wie du glaubst. Ich werde dir alles erklären, aber nicht jetzt.
Ich bin schon viel zu lange hier. Schlaf dich jetzt aus und
danach überlegen wir, wie wir Chris und Ben befreien.«
»Und was ist mit den anderen?«, fragte Mike. »Juan? Und ...«
Er zögerte, fast als hätte er Angst, die Frage
ganz
auszusprechen.

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