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Die Stadt der Verlorenen

Die Stadt der Verlorenen

Titel: Die Stadt der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Serena?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Singh.
»Vielleicht erfahren
wir
mehr, wenn wir Chris und Ben befreit haben.«
Er ging. Mike starrte den geschlossenen Vorhang hinter ihm
noch lange an. Ein sonderbares Gefühl von Verwirrung machte
sich in ihm breit. Natürlich war er immer noch erleichtert,
einen seiner Freunde wieder gefunden zu haben. Aber Singh
benahm sich ganz und gar nicht so, wie er erwartet hatte.
Und er hatte das sichere Gefühl, dass das noch längst nicht die
letzte unangenehme Überraschung sein würde, die auf ihn
wartete.
    Am nächsten Morgen lernte er die meisten anderen Mitglieder
des Widerstandes kennen. Es waren etwa vierzig, vielleicht
fünfzig Männer und Frauen
– die Unzufriedensten der
Unzufriedenen und die wenigen, die den Mut gefunden hatten,
sich wenigstens im Geheimen gegen Argos’ Tyrannei und die
Unterdrückung der herrschenden Kaste aufzulehnen.
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben«, sagte Mike, als Sarn, der
ihn gemeinsam mit Singh zu einem reichhaltigen Frühstück
erwartet hatte, mit der Aufzählung seiner Verbündeten zu Ende
gekommen war.
»Was?«, fragte Sarn. »Dass wir schon so viele sind? Es gibt den
    Widerstand erst seit einigen Jahren.«
»Ganz im Gegenteil«, antwortete Mike. Er fing einen
warnenden Blick Singhs auf, den er aber ignorierte. Sarn war an
diesem Morgen wie ausgewechselt: sehr freundlich, gut
aufgelegt und ohne die Spur von Misstrauen. Vielleicht war es ja
Singh, der zu misstrauisch war, und nicht der Krieger.
»Im Gegenteil?«, fragte Sarn. »Was meinst du damit?«
»Ich habe ein paar Monate hier gelebt«, erinnerte ihn Mike.
»Ich meine: Ich habe zwar das meiste davon vergessen, aber ich
weiß trotzdem, wie es den Menschen hier geht. Die meisten
werden behandelt wie Sklaven!«
»Deshalb haben wir uns zusammengetan«, bestätigte
Sarn.
»Um die Tyrannei der herrschenden Kaste zu brechen.«
»Wie viele Menschen leben in Lemura?«, fragte Mike. Sarn
blinzelte. »Vielleicht ... zwanzigmal tausend«, sagte er.
»Warum?«
»Zwanzigtausend«, sagte Mike. »Und vierzig oder fünfzig davon
begehren nur gegen die Tyrannei auf!«
»Nicht alle wagen es, sich uns offen anzuschließen«, sagte
Sarn. »Wir haben viele Sympathisanten. Hunderte!«
»Hunderte, von zwanzigtausend!« Mike schüttelte heftig den
Kopf. »In meiner Welt wären es Tausende, glaub mir.«
»Vielleicht ist deine Welt ja besser als unsere«, antwortete
Sarn spitz. »Oder eure Menschen sind tapferer.«
»Bitte!« Singh hob beruhigend die Hände. In Sarns Stimme
war plötzlich wieder derselbe scharfe Ton wie am vergangenen
Abend. Seine Augen blitzten kampflustig.
»Es hat nichts damit zu tun, welche Welt besser oder
schlechter ist, Sarn«, fuhr der Inder fort. »Es ist Argos’ Magie.
Sie verhindert, dass den Menschen hier ihre Lage auch nur
bewusst wird.«
Mike sah Singh überrascht an. Er hätte niemals damit
gerechnet, das Wort Magie ausgerechnet aus dem Mund des
Inders zu hören. Trotz seiner geschichtsträchtigen Herkunft war
der Sikh einer der rationalsten Menschen, die er kannte.
»Meinst du das ... ernst?«, fragte er zögernd. »Ich dachte immer,
du glaubst nicht an Zauberei und Magie.«
Singh zuckte mit den Schultern. »Nenn es, wie du willst«,
sagte er. »Diese Menschen stammen von den alten Atlantern ab,
vergiss das nicht. Die Könige von Atlantis geboten über
gewaltige geistige Macht. Denk nur daran, wozu Serena in der
Lage war, bevor sie freiwillig auf ihre Kräfte verzichtete.«
Bei der Erwähnung Serenas fuhr Mike heftig zusammen. Er
hatte Singhs Warnung nicht vergessen und bisher mit keinem
Wort nach Serena gefragt
– aber das änderte nichts daran,
dass er praktisch ununterbrochen an sie dachte. Trotzdem war
seiner Stimme nichts von seinen wahren Gefühlen
anzumerken, als er antwortete: »Das war etwas anderes. Nicht
einmal Serena wäre in der Lage gewesen, zwanzigtausend
Menschen ihren Willen aufzuzwingen. Es muss einen
anderen
Grund geben.«
»Und um den herauszufinden, bist du hier«, sagte
Sarn.
»Ich habe nicht das Leben meiner Freunde und mein eigenes
riskiert, um mir anzuhören, was du nicht weißt, Mike.«
»Warum dann?«, fragte Mike.
»Das, was du gestern erzählt hast, ist vielleicht der
Schlüssel
zu Lemuras Freiheit«, antwortete Sarn. »Unser Volk lebt seit
zehntausend Jahren hier unten, Mike. In einer Welt ohne Sonne,
ohne Licht und ohne Himmel. Wir büßen für Verbrechen, die
unsere Urahnen begangen haben. Mit diesem Schiff, von dem du
erzählt

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