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Die Stadt der Wahrheit

Die Stadt der Wahrheit

Titel: Die Stadt der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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bereit?«
    »Nicht so ganz«, sagte meine Schwester.
    Merrick drückte auf einen Knopf, und SCHWEINE HABEN FLÜGEL tauchte auf einem hellen Tachistoskop-Bildschirm vor meiner Nichte auf. Beim Anblick dieser falschen Behauptung zuckten der Arzt, Gloria und ich gleichzeitig zusammen.
    »Kannst du mich hören, Mädchen?« erkundigte sich Merrick übers Mikrofon.
    Connie öffnete den Mund, und ein schwaches ›Ja‹ tröpfelte aus dem Lautsprecher.
    »Siehst du diese Worte?« fragte Merrick. Die leuchtend roten Buchstaben schwebten in der Luft wie erschöpfte Schmetterlinge.
    »J-ja.«
    »Wenn ich dir den Befehl gebe, dann lies sie laut vor.«
    »Wird es weh tun?« stammelte meine Nichte mit zitternder Stimme.
    »Es wird schrecklich weh tun. Wirst du diese Worte vorlesen, wenn ich es sage?«
    »Ich habe Angst. Muß ich es tun?«
    »Du mußt.« Merrick legte einen fleischigen Finger auf den Schalter. »Jetzt!«
    »Sch-schweine haben Flügel.«
    Und so fing es an, diese Läuterung des menschlichen Bewußtseins, dieser elektrokonvulsive Ritus des Übergangs. Merrick hackte auf die Knöpfe ein. Die Volts zischten durch Connie. Sie stieß einen schrillen Schrei aus und wurde weiß wie Gips.
    »Aber das stimmt nicht«, keuchte sie. »Schweine haben keine…«
    Die Erinnerung an die Prozedur meines eigenen Gebranntwerdens kehrte zurück. Die Schmach, die Qual.
    »Du hast recht, Mädchen – sie haben keine.« Merrick drehte feinfühlig an der Volt-Einstellung, und Gloria zuckte zusammen. »Du hast deine Sache ziemlich gut gemacht«, fuhr der Arzt fort und reichte meiner Schwester das Mikrofon.
    »Ja, Connie«, sagte sie. »Mach weiter in diesem schrecklich guten Stil.«
    »Es ist ungerecht.« Schweißtropfen standen auf Connies Stirn. »Ich möchte nach Hause.«
    Während Gloria das Mikrofon wieder abgab, projizierte das Tachistoskop SCHNEE IST HEISS. Mein Gehirn bäumte sich bei dieser Lüge auf.
    »So, Mädchen! Lies laut vor!«
    »Sch-schnee ist… h-heiß.« Blitze zuckten. Connie stieß ein Geheul aus. Blut floß über ihre Unterlippe. Während meines eigenen Gebranntwerdens hatte mich mir buchstäblich halb die Zunge durchgebissen. »Ich will nicht mehr«, winselte sie.
    »Du hast keine Wahl, Mädchen.«
    »Schnee ist kalt.« Tränen vernetzten Connies Sommersprossen. »Bitte hört auf, mich zu quälen.«
    »Kalt. Richtig. Kluges Mädchen.« Merrick schaltete die Stromstärke höher. »Fertig, Connie? Es geht weiter.«
    PFERDE HABEN SECHS BEINE.
    »Warum muß ich das tun? Warum?«
    »Alle tun es. All deine Freundinnen.«
    »Pf-pferde haben… haben… sie haben vier Beine, Doktor Merrick.«
    »Lies die Worte vor, Connie!«
    »Ich hasse Sie! Ich hasse euch alle!«
    »Connie!«
    In wilder Jagd ging es weiter. Zapp! Zweihundert Volt. Das Mädchen hustete und würgte. Dicker weicher Schleim schoß aus ihrem Mund.
    »Da ist zuviel!« ächzte Gloria. »Meinen Sie nicht, daß das zuviel ist?«
    »Sie wollen doch, daß die Behandlung anschlägt, oder nicht?« entgegnete Merrick.
    »Mami! Wo ist meine Mami?«
    Gloria riß das Mikrofon an sich. »Hier, mein Liebling, hier bin ich.«
    »Mami, sag ihnen, sie sollen aufhören.«
    »Das kann ich nicht, mein Liebling. Du mußt versuchen, tapfer zu sein.«
    Die vierte Lüge tauchte auf dem Bildschirm auf. Merrick drehte die Stromstärke höher. »Lies vor, Mädchen!«
    »Nein!«
    »Lies vor!«
    »Onkel Jack! Ich will mit Onkel Jack sprechen!«
    Meine Kehle zog sich zusammen, mein Magen schmerzte. »Du machst es ganz gut, Connie«, sagte ich, nachdem ich das Mikrofon gepackt hatte. »Ich glaube, dein Geschenk wird dir gefallen.«
    »Bring mich nach Hause!«
    »Ich habe dir etwas einigermaßen Schönes gekauft.«
    Connie verzog das Gesicht zu unzähligen Falten. »Steine!« schrie sie und spuckte Blut. »Sind«, fuhr sie hartnäckig fort. »Lebendig!« Sie zappelte wie eine Flunder auf dem Trockenen, ein Krampf folgte dem anderen. Ein ausgedehnter Urinfleck verunzierte ihren Kittel, und trotz des nach Vorschrift verabreichten Klistiers tropfte eine braune Flüssigkeit von dem Saum.
    »Ausgezeichnet!« Merrick steigerte die Strafe auf dreihundert Volt. »Das Ende ist in Sicht, Kind!«
    »Nein! Bitte! Bitte! Aufhören!« Schaum trat aus Connies Mund.
    »Du hast fast die Hälfte geschafft!«
    »Bitte!«
    Das Tachistoskop schoß weiter. Connie log weiter: eine falsche Aussage nach der anderen, ein Schock nach dem anderen – wie eine Salve von Geschossen, die durch ihre Nerven flitzten und in

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