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Die Stadt der Wahrheit

Die Stadt der Wahrheit

Titel: Die Stadt der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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einigermaßen gut unterhalten, Connie«, und damit war die Sache beendet.
    Als ihre Freundinnen und Schwestern aufbrachen, umarmte Connie sie mit echter Zuneigung (außer im Fall von Alice Lawrence, die sie offensichtlich nicht leiden konnte) und bedankte sich bei jeder sehr persönlich, ohne durcheinanderzubringen, wer ihr was geschenkt hatte. Eine so erwachsene junge Dame! dachte ich. Doch ihre großartigste Darstellung von Reife gab sie, als ich mich von ihr verabschiedete.
    »Paß auf dich auf, Connie.«
    »Danke, daß du gekommen bist, Onkel, und danke für die Rollschuhe. Ich habe zwar schon welche, die besser sind als die von dir; wahrscheinlich werde ich sie gegen einen Pullover eintauschen.«
    Jetzt war sie Bürgerin der Stadt. Ich war stolz auf sie.
     
    Als ich in unsere Wohnung zurückkehrte, sah ich, daß der Anrufbeantworter blinkte. Dreimal Blinken, Pause; dreimal Blinken, Pause; dreimal Blinken, Pause. Ich holte mir eine Flasche von Pauls Erträglichem Bier aus dem Kühlschrank und köpfte sie. Dreimal Blinken, Pause. Ich nahm einen erträglichen Schluck. Und noch einen. Die Strahlen der Spätnachmittagssonne fluteten durch das Küchenfenster herein und tauchten unsere wichtigsten Haushaltsgeräte in jenes schillernde Orange, das man sieht, wenn einem die Sonne auf die geschlossenen Augen scheint. Ich trank mein Bier vollends aus.
    Dreimal Blinken, Pause; dreimal Blinken, Pause: ein abgehacktes, beharrliches Signal – ein Hilfeschrei, wie mir rückblickend klar ist, wie ein optischer Notruf, ausgesandt von einem sinkenden Schiff.
    Ich drückte auf WIEDERGABE. Toby hatte unseren Ansagetext verfaßt und produziert, und er war auch der Sprecher:
     
Wir wollen gern mit Ihnen sprechen, ich und meine Leute,
und rufen zurück, wenn’s geht, noch heute;
sprechen Sie nach dem Piepton,
wir melden uns dann recht bald schon.
     
    Piep, und eine schroffe männliche Stimme knallte in die Küche. »Eine spaßige Ansage, könnte man sagen – ungefähr das, was ich von einem Siebenjährigen erwartet hatte. Hier ist Dr. Bamford vom Kraft-Institut, und ich nehme an, ich spreche mit den Eltern von Toby Sperry. Nun, wir haben die Ergebnisse. Der Hobs Hase, der Ihren Sohne gebissen hat, war in hohem Maße mit der Xavierschen Krankheit verseucht, einem seltenen und fatalen Virus. Wir haben die Probe an Dr. Prendergorst am Zentrum für Lindernde Behandlung von Hoffnungslosen Krankheitsfällen im Bezirk Locke geschickt. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, fühle ich mich nur geringfügig gestört, wenn Sie mich anrufen. Von jetzt an liegt die Angelegenheit jedoch im wesentlichen in den nichtwörtlichen Händen jenes Zentrums.« Piep. »Hier spricht John Prendergorst, Zentrum für Lindernde Behandlung von Hoffnungslosen Krankheitsfällen. Inzwischen ist Ihnen bestimmt Bamfords vorläufiger Bericht zugegangen, und er wurde gerade erst von Hoffnungslos bestätigt. Bitte rufen Sie mich an, sobald Sie können, dann werden wir einen Termin für ein Gespräch ausmachen, doch ich fürchte, kein noch so langes Gespräch kann an der Tatsache etwas ändern, daß die Xaviersche Seuche hundertprozentig fatal verläuft. Wir werden Ihnen die Statistik zeigen.« Piep. »Hallo. Hier ist Helen. Ich bin in der Redaktion und arbeite an diesem Artikel über Neuropathologie der spirituellen Besessenheit. Es sieht so aus, als würde es ein langer Tag und eine noch längere Nacht. Im Kühlschrank ist noch etwas Hähnchen.«
    Meine Reaktion erfolgte unverzüglich und instinktiv. Ich eilte ins Arbeitszimmer, griff nach Helens ungekürztem Lexikon und schlug bei ›fatal‹ nach; ich war erpicht darauf zu entdecken, wie ungenau dieser Begriff angewandt wurde, was für Prendergorsts Berufsstand typisch war. Wenn der Arzt ›fatal‹ sagt, so entschied ich, dann meint er nicht fatal, sondern etwas viel Hintergründigeres und Vorteilhafteres.
     
fast
fasten
Fastnacht, die
fatal (vom Schicksal bestimmt, verhängnisvoll)
Fatalismus, der
Fatalist, der
Fatalität, die
     
    Nein. Das Lexikon log. Nur weil Prendergorsts Voraussage pessimistisch war, war sie noch lange nicht wahr.
     
Fata Morgana, die (eine durch Luftspiegelung verursachte Täuschung)
     
    Und tatsächlich bot sich meinem erschütterten Gehirn jetzt eine Vision: eins der wenigen Exemplare der Zeitschrift Psychische Heilmethoden, das ich beschlossen hatte zu verschonen, eine Sonderausgabe zum Thema Psychoneuroimmunologie; sein Titel zeigte zwei Strahlen aussendende Hände, die ein

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