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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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viel zu sehr Dame, um ein Wort wie Debauchery in den Mund zu nehmen.
    Ich könnte April verlieren, so wie ich Finn verloren habe. Plötzlich wird mir schwummrig, und ich bin froh, dass ich mich am Sofa abstützen kann.
    »Du bist ganz blass. Soll ich die Köchin bitten, dir etwas zu essen zu machen?« Mutter legt mir die Hand auf die Schulter.
    Die Köchin … Bevor wir aufgebrochen sind, haben Will und die beiden Kleinen ihre letzten Äpfel gegessen. Im Moment kann ich zwar nichts für April tun, aber wenigstens Will kann ich helfen. Unsere Köchin wird bestimmt gern etwas für sie zubereiten. Sie denkt immer, dass wir ihr Essen nicht mögen, dabei liegt es nur daran, dass keiner von uns Appetit hat.
    »Ich bin so froh, dass du wieder zu Hause bist«, sagt Mutter, ohne mich anzusehen. Ich glaube ihr, aber ich weiß auch, genauso wie sie, dass sie noch glücklicher wäre, wenn Finn an meiner Stelle hier wäre.
    Sie würde, ohne mit der Wimper zu zucken, ihr lebendes gegen ihr totes Kind tauschen.
    »Ich brauche Geld für eine Maske«, sage ich. »Ist der Kurier schon wieder zurück?«
    »Nein, noch nicht. Aprils Mutter brauchte ihn. Sie hat ihren eigenen Kurier losgeschickt, damit er alles abklappert, wo April immer hingeht, während unser Kurier sicherheitshalber die Wagen absucht.«
    Die Zahl der Toten ist viel zu groß, um jedem das Privileg zu gewähren, seine Angehörigen zu identifizieren. Die Leute sterben, werden auf einen Karren geworfen und weggebracht.
    Sie kann sich nicht überwinden, mich anzusehen. Die Leichensammler, die sie ständig an den Tod erinnern, sind einer der Gründe, weshalb sie so gut wie nie die Wohnung verlässt.
    Mutter reicht mir eine Geldbörse voll schwerer Münzen.
    Ich muss mich hinsetzen, weil meine Knie nachzugeben drohen. Ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen, dass mir die leichtsinnige April mit ihrem silberfarbenen Lidschatten und ihrem boshaften Humor so viel bedeutet.
    Ich lasse die Börse mit den Münzen auf den Tisch fallen. Dabei rutscht mein Gedichtband über die Tischplatte und fällt zu Boden. Ein Zettel fällt heraus.
    Komm um Mitternacht in den Garten.

S ECHS
    I n den Garten?
    Um Mitternacht?
    Am unteren Rand des Zettels befindet sich die Zeichnung eines offenen Auges. Ich blicke auf den überwucherten Garten hinaus und versuche, das mulmige Gefühl zu ignorieren, dass mich jemand beobachtet.
    Vorsichtig streiche ich mit den Fingern über den narbigen Buchumschlag. Dieses Buch hat einmal jemand anderem gehört. Gilt das auch für die Nachricht? Hat derjenige, an den sie gerichtet war, sich längst mit ihrem Verfasser um Mitternacht im Garten getroffen? Vielleicht schon vor Jahren, vielleicht sind beide längst tot.
    Ich wünschte, die Nachricht stamme von Will. Aber er muss um Mitternacht arbeiten.
    Könnte April das geschrieben haben? Ich betrachte die Handschrift, doch sie ist klobig und kommt mir nicht bekannt vor.
    Ich trete an das Fenster, das auf den Garten hinausgeht. Im Matsch mache ich etwas aus, das wie ein Teil eines Fußabdrucks aussieht. Man erkennt ihn nur, wenn man genau hinsieht.
    Ich wandere durch die Zimmer, streiche mit den Fingern über die Fensterscheiben. Die Fenster lassen sich nicht öffnen. Und die Tür zum Garten ist zugemauert.
    Die Stunden vergehen. Ich warte. Mutter klopft an meine Tür, bevor sie zu Bett geht.
    »Sie werden sie ganz bestimmt finden, Araby.« Die Art, wie sie es sagt, lässt meine Angst nur noch größer werden. Ich berühre den Zettel, in der Hoffnung, dass er irgendetwas zu bedeuten hat. Mutter stößt einen tiefen Seufzer aus, dann geht sie den Flur hinunter in ihr Zimmer.
    Ungeduldig sehe ich immer wieder auf die Uhr. Schließlich schleiche ich mich hinaus.
    Wenn sich der Eingang zum Garten nicht hier auf dem Stockwerk befindet, muss er irgendwo über oder unter uns sein. Auf dem Dach gibt es eine Terrasse. Aber ich war schon ziemlich oft dort oben – als ich das noch durfte – und weiß, dass es keine Falltüren gibt.
    Im Stockwerk unter uns war ich allerdings noch nie. Der Fahrstuhlführer mit der glatten weißen Maske bringt uns immer auf direktem Weg nach oben. Aber es gibt eine Treppe.
    Unser Flur wird von einer flackernden Gaslampe erhellt, die kaum genug Licht spendet, und im Treppenhaus am hinteren Ende herrscht völlige Dunkelheit. Ich bewege mich ganz vorsichtig, setze immer einen Fuß vor den anderen und stütze mich mit einer Hand an der Wand ab.
    Der Korridor ist von Türen gesäumt. Die

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