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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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    »Lass dir von deiner Mutter das Geld geben und schick den Kurier hin, damit er sie abholt.« Er nimmt sein Notizbuch und beginnt zu schreiben.
    Ich lasse ihn allein. Er wird ganz bestimmt so schnell nicht herauskommen. Weil er vergessen haben wird, dass ich überhaupt mit ihm gesprochen habe. Entweder er hat nicht gemerkt, dass ich die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen bin, oder es ist ihm egal. Beide Varianten machen mich traurig.
    Ich setze mich in meinen Lieblingssessel, um auf Mutter zu warten, ziehe den Gedichtband aus der Tasche und streiche mit der Hand über den Einband. Er riecht genauso wie Wills Wohnung, nach Wärme, Liebe und frisch gebackenem Brot.
    Gestern dachte ich noch, es würde mir Freude machen, die Gedichte zu lesen, aber ich bin viel zu unkonzentriert.
    Mutter betritt die Wohnung, gefolgt von einem Schwall kalter Luft. Ich beobachte die Gefühlsregungen, die sich auf ihren Zügen abzeichnen – Wut. Abscheu. Sorge? Ich versuche, nicht auf die dunklen Ringe unter ihren Augen zu sehen, mich von meinem schlechten Gewissen nicht übermannen zu lassen. Hat sie sich jemals um mich gesorgt, als wir zwei Jahre lang ohne sie in einem dunklen Keller gelebt haben?
    Mit drei Schritten durchquert sie den Raum und schlingt die Arme um mich. Ich versuche, die Umarmung zu erwidern, spüre aber, wie ich mich versteife und mich ihr entziehe, obwohl sich ihre Zuwendung nach Vaters Gleichgültigkeit schön anfühlt.
    »Gott sei Dank, wenigstens bist du wieder sicher zu Hause.«
    »Und April? Ist sie heute Nacht etwa auch nicht nach Hause gekommen?«
    Mutter schüttelt den Kopf.
    »Und ich dachte, sie hätte mich im Stich gelassen«, sage ich im Flüsterton. Ich hätte wissen müssen, dass sie so etwas nicht tut.
    Mutter hebt die Hand und tätschelt meine Schulter, während sie sich von mir löst. Dass ich vor ihr zurückgewichen bin, war keine Absicht, aber wie soll ich ihr das sagen?
    »April ist also nicht nach Hause gekommen?«, frage ich noch einmal, immer noch völlig verdattert. Mein Magen schmerzt, und meine Brust fühlt sich ganz eng an.
    »Ihre Mutter ist außer sich.«
    Ich betrachte das Gesicht meiner Mutter, doch ich habe verlernt, ihre Gefühlsregungen von ihrer Miene abzulesen. War sie auch außer sich?
    »Wo ist ihre Dampfkutsche?«, frage ich noch eine Spur leiser. »Außerdem ist es ja nicht das erste Mal, dass sie die ganze Nacht wegbleibt.«
    »Es heißt, die Kutsche wurde von Fledermäusen angegriffen, Araby.«
    Am liebsten würde ich in Gelächter ausbrechen.
    Aber eigentlich ist mir doch nicht nach Lachen zumute.
    April und ich haben gestern Abend noch Witze über Fledermäuse gerissen. Es wäre schon ein unglaublicher Zufall … andererseits hat Vater die Menschheit gerettet, nur seinen eigenen Sohn konnte er nicht vor dem Tod bewahren. So viel zum Thema Zufall. Oder zum Thema unfassbare, himmelschreiende Ironie.
    »Mutter …«
    »In der Kutsche wurden Haarbüschel gefunden. Und du weißt ja, dass die Leute sagen, Fledermäuse würden besonders auf Haare …«
    Das sagen die Leute tatsächlich. Eine auffällige Frisur wirkt wie ein Magnet auf Fledermäuse. Ich habe April stets um ihre Prachtmähne beneidet.
    »Wenigstens warst du nicht bei ihr.«
    »Ja. Ich bin ein echter Glückspilz.« Ausnahmsweise registriert Mutter die Anspielung und zuckt zusammen. Hat sie auch ein schlechtes Gewissen, weil sie selbst überlebt hat, oder hasst sie mich nur dafür, dass ich dem Tod entronnen bin?
    Ich stütze mich mit einer Hand an der Sofalehne ab. Die Hoffnungslosen sehen uns zu, wie wir in unseren Kutschen zum Debauchery Club fahren. Manchmal bringen sie auch die Energie auf, die Fäuste zu recken oder uns Obszönitäten nachzuschreien. Deshalb wäre es doch durchaus denkbar, dass sie April, das reiche Mädchen in ihrer schicken Kutsche, angreifen würden, oder nicht? Wahrscheinlich war sie betrunken. Ich muss an die dunklen Gestalten denken, die sich zwischen den Gebäuden herumgedrückt haben, als die junge Mutter den Leichensammlern ihr Baby ausgehändigt hat. An den Stein, der aus heiterem Himmel dicht neben mir gelandet ist.
    Und dann war da noch dieser Junge mit den bläulichen Lidern. Was war in den Drinks, die er herumgereicht hat? Hat er April vielleicht unter Drogen gesetzt? Mir ist schwindlig. Hat er mich unter Drogen gesetzt?
    »Wo wurde die Kutsche gefunden?«, frage ich.
    »In der Nähe eines Clubs, der ihrem Onkel gehört.« Mutter sieht mich vielsagend an. Sie ist

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