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Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Kovac
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mir dazwischenkommen. Und ich habe mich immer davor gefürchtet, jemanden durch meine geschriebenen Worte zu verletzen, und wenn etwas nur in die Nähe von Emotionen kam, so lag mein Bemühen immer darin, sie so gut wie nur möglich zu überdecken. Ich habe viel Zeit verloren, weil ich nicht zulassen wollte, dass Gefühle mich unterwandern.
    Mutter war selbst ein Teil ihres immerwährenden Theaterstücks, das auch mich als Mitspieler einschloss. Jetzt war ich ein unangekündigter Besucher, ich genoss meine Rolle, wir lachten, stellten uns Vater vor, fragten uns, ob er mich erkennen würde. Aber nicht ein Wort verloren wir über seine Gefühle und fragten uns nicht, ob mein Besuch ihn erheitern oder traurig machen würde. Wir rechneten mit seiner naturgegeben guten Laune, wussten aber nicht, ob er sich und wenn wie sehr er sich verändert hatte. Wir inszenierten das Ganze sogar tatsächlich als Stück und hatten am Morgen in der Küche eine Art Generalprobe, mein jüngerer Bruder spielte meinen Vater, Mutter übernahm die Rolle der Beobachterin, das Auge, das sich alles neutral und genau anschaut, und ich war der »wurzellose Sohn«, übernahm also die Hauptrolle. Mutter gab Instruktionen, sagte, ich sollte mich von der Terrasse kommend an ihn anschleichen, denn dort warte er immer am Tisch auf sie, im Schatten einer alten Föhre. Ich hatte mir vom Schuster Metallkanten an den Schuhen anbringen lassen, damit sie länger hielten, deshalb, sagte ich, »kann ich mich nicht einfach so heranschleichen, die Terrasse ist mit Steinplatten gefliest, meine beschlagenen Absätze werden mich verraten«.
    »Dann versteck dich hinter der Föhre und ruf ihn Vati , wie damals in der Kindheit.«
    Mit einer Tasche in der Hand ging ich zur Bushaltestelle, an der nichts darauf hindeutete, dass hier Busse hielten und abfuhren. Es war weit und breit niemand zu sehen, kein Häuschen oder Kiosk, an dem man sich einen Fahrschein hätte kaufen können, eine Bank mit Vordach zum Hinsetzen gab es ohnehin nicht. Es handelte sich bei dieser Haltestelle recht besehen um einen banalen Rasen, voller Löcher, in denen schmutziges Wasser stand, es war drei, vier Tage alt, die Stadt und die ganze Gegend waren von einem Unwetter überrascht worden, erst war ein Regenguss gekommen, dann ein Sommergewitter und schließlich Hagel. Ich wartete an dieser unwirklichen Haltestelle noch ungefähr zehn Minuten, und da niemand auftauchte, den ich nach dem Bus hätte fragen können, machte ich mich auf den Weg zum Hotel, der nächsten möglichen Haltestelle. Mutter fand es dort ansehnlicher, weil man sich hinsetzen und etwas trinken konnte. Ich erreichte das Hotel zügig, die Tasche war nicht schwer, aber vom Bus war dennoch weit und breit keine Spur. Ich sah auch keine Reisenden, die Gepäck bei sich hatten, keine Körbe, nichts; das brachte mich auf den panischen Gedanken, dass der Bus schon längst weggefahren war. Und dabei hatte meine Mutter gesagt, dieser Bus sei weltweit der einzige, den man einfach nicht verpassen könne. Zum Glück waren aber ein paar Leute vor dem Hotel zu sehen, sie tranken ihren Morgenkaffee und betrachteten mich. Ich musste nicht ein Wort sagen, sie wussten, was ich suchte; sie waren alle freundlich und versuchten mir zu helfen.
    Der Autobus wartete am Schlachthof, der sich am kleinen Fluss befand, aber auf der anderen Seite; ich brauchte zehn Minuten, um die Vorstadtsiedlung zu durchqueren, und dann noch einmal genauso lange, um über den Rasen zu kommen, auf dem schon die Arbeiten für ein neues Stadion begonnen hatten. Ich beeilte mich und ging schnell über die Steinbrücke. An den Schlachthauswänden hingen auf Haken Kuhhäute und Kalbsfelle, und in der Steintrift, an der hinteren Wand, schnappten die Vögel nach den Tierleibern, sie kreischten streitend und hackten aufeinander ein. Überall war Abfall zu sehen, weil alle Anwohner den abschüssigen Hang als Müllhalde benutzten, Hörner lagen dort, Hufe und Knochen; das Flüsschen würde erst im Herbst, wenn das Wasser angestiegen war, diesen ganzen Abfall davontragen. Ich sah einen Baum, betrachtete ihn und wunderte mich, wie er es überhaupt geschafft hatte, hier in dieser aufgeplatzten trockenen Erde zu überleben. Im Bus saßen ein paar Frauen, sie hatten Bündel und Körbe neben ihren Füßen auf dem Boden abgestellt oder hielten sie auf ihren Knien. Noch zwei, drei Leute standen, angelehnt an die staubigen Fenster, ein Mann mühte sich ab, die Hintertür zu öffnen, musste

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