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Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Gesundheitskontrollen gewehrt. Sie wußten, daß sie in der neuen Umwelt überwacht werden mußten, doch sie wollten keine Versuchskaninchen sein – keine Forschungsobjekte in einer fliegenden Experimentierstation ...
    Nail McMan wußte über die schweren Auseinandersetzungen im Jahre 2130 Bescheid. Nur mit knapper Mehrheit hatte der fünfte Senat beschlossen, den visuellen Kontakt zwischen den Bewohnern von LEVITAD und der wolkenverhangenen Erde gänzlich zu unterbrechen. Solange sie zur Erde zurückblicken konnten, würden sie sich niemals an ihre künstliche Welt gewöhnen. Die jahrtausendealte Bindung an die Erde war zu stark. Obwohl LEVITAD in 112 km Höhe über die Erdoberfläche hinwegzog, kamen sich die Bewohner der fliegenden Stadt wie Ausgestoßene, Verfemte und Gefangene vor. Erst das totale Verbot hatte ihre psychologische Situation verändern können. Seit die Bewohner von LEVITAD den wolkenverhangenen dritten Planeten des Sonnensystems nicht mehr sehen konnten, war die Erde nur noch eine Art Legende für sie. Sie hatten nie vergessen, woher sie gekommen waren, und doch bildete sich langsam ein neues Bewußtsein in ihnen. Sie nahmen ihre neue Welt als selbstverständlich hin, sie dachten nicht darüber nach, weil sie leben und nicht verrückt werden wollten!
    Nail McMan fühlte die Elektrostimulation in den winzigen Mikroelektroden auf seiner Kopfhaut. Haarfeine, molekularverstärkte Nadeln drangen durch seine Schädeldecke. Bei vollem Bewußtsein beobachtete er die Ausschläge des Steuergerätes.
    Die Ärztin lächelte ihn an.
    »Was ist es?« fragte sie.
    »Dr. Ragano«, antwortete Nail McMan leise.
    Die Ärztin hob kaum merklich die Brauen. »Waren Sie bei ihm?«
    Nail nickte vorsichtig. Die Ärztin sah ihn nachdenklich an. Sie musterte sein schmales, ernstes Gesicht. Nail brauchte nicht zu sagen, was ihn bedrückte. Aber dann hätte die Behandlung im Traumatikum nicht den gewünschten Erfolg gehabt.
    »Sind Sie – einer von diesen jungen Männern, die an menschliches Leben auf der Erde glauben?« fragte die Ärztin vorsichtig.
    »Ich glaube daran«, stieß Nail McMan hervor, »ich kann es sogar beweisen, aber sie wollen nicht auf mich hören. Sie wissen, daß meine Berechnungen richtig sind, auch Dr. Ragano weiß es, aber für ihn gibt es nur eine Devise: Was nicht sein darf, kann auch nicht sein.«
    »Die Behandlung wird unangenehm werden«, sagte die Ärztin mit einem leisen Bedauern in der Stimme. »Ich fürchte, Sie brauchen eine Schockhypnose.«
    Nail McMan nickte wieder. Er preßte seine Lippen zusammen. Er wußte noch nicht, wie er nach der Behandlung denken würde. Trotzdem hoffte er, daß seine Überzeugung stark genug war, um die Gehirnwäsche im Traumatikum zu überstehen. Er hatte sich diesen Schritt genau überlegt. Nur wenn er offiziell bereit war, seine verschwörerischen Ansichten durch eine Schockhypnose behandeln zu lassen, konnte er sich einigermaßen sicher fühlen.
    »Fangen Sie an«, sagte er und holte tief Luft.
    Die Ärztin blickte ihn noch immer an. Ihre Mundwinkel zuckten bedauernd, und plötzlich war so etwas wie Trauer in ihren Augen. Sie streckte ihre schmalen Finger aus und drückte auf eine Reihe von Knöpfen.
    Die Schmerzwelle zuckte mit tausendfachen Explosionen in die Hirnrinde von Nail McMan. Grauenhaft verzerrte Bilder stiegen aus seinem Unterbewußtsein auf. Zuckend und taumelnd tanzten die Gesichter sterbender Menschen vor ihm im Raum. In seinen Ohren gellte ein hundertfacher Todesschrei. Der Computer hatte die radikalste aller Behandlungsmethoden gewählt. Er gaukelte Nail McMan den Höhepunkt des Schwarzen Krieges vor. Der junge Wissenschaftler aus der schwebenden Stadt sah, fühlte und hörte gleichzeitig das Inferno vom Untergang der Menschheit. Durch winzige Elektroden wurde ihm eingeimpft, daß es für diese Menschheit keine Zukunft mehr geben konnte. Er sah den Tod, während er lernte, daß er endgültig war.
    Taumelnd stürzte Nail McMan in ein gähnendes Nichts. Sein Bewußtsein erweiterte sich – wurde unendlich. Während alles in ihm vor Verzweiflung und Entsetzen wimmerte, begann die Elektronik des Traumatikums, seinen zertrümmerten Bewußtseinsinhalt Stück für Stück wieder zusammenzusetzen.
    *
    Wie feurige Kaskaden stürzte das glühende Gestein in die riesigen Auffangbecken. Blaue Dampfwolken schossen zischend nach oben. In dichten Schleiern wallten sie am kuppelförmigen Dach der halbrunden Halle entlang. Der Sog von mächtigen, unsichtbaren

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