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Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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blickte Dr. Ragano durch die opalisierenden Fenster seines Büros. Eine schmale Falte bildete sich zwischen seinen Brauen. Er sah auf die Stadt, für deren Sicherheit er verantwortlich war. Die Gruppe der Tafelrunde war nur ein erstes Symptom für den langsam aufkeimenden Widerstand gegen die Lebensgesetze der schwebenden Stadt. Seit achtundfünfzig Jahren hatte es keinen direkten Kontakt zur Erdoberfläche mehr gegeben. LEVITAD war eine vollkommen isolierte Insel in der Lufthülle der verseuchten Erde. Schweigend ballte Dr. Ragano die Hände zu Fäusten. Für ihn war es ein Kinderspiel, die Gruppe der Tafelrunde auffliegen zu lassen. Und doch wußte er, daß er damit den Kern des Problems nicht aus der Welt geschafft hatte. Neue Gruppen würden entstehen und vernichtet werden – so lange, bis es eines Tages zum Bürgerkrieg in der schwebenden Stadt kam.
    Dr. Ragano drehte sich um. Mit vorgebeugten Schultern ging er zu seinem Schreibtisch. Er sah plötzlich alt und enttäuscht aus.
    *
    Das Hämmern an der Tür klang laut und drängend. Reanny sprang auf. Er warf einen kurzen Blick zu Mona de Fries hinüber. Das Mädchen hob abwehrend die Hände, verharrte einen Augenblick und nickte dann.
    Reanny polterte zur Tür. Er schloß sie auf und sprang zur Wand zurück. Die Zähne blitzten hell aus seinem dichten Bart hervor. Noch ehe er richtig begriffen hatte, taumelte Jan van Sonar in den Raum. Seine Knie knickten ein. Direkt vor Mona de Fries sackte der langaufgeschossene Bioklimatologe zu Boden. Er wollte den Oberkörper aufrichten, doch seine schwachen Arme trugen ihn nicht.
    »Schnell«, rief Mona de Fries, nachdem sie die erste Schrecksekunde überwunden hatte, »machen Sie seinen linken Arm frei!«
    Reanny schob die Unterlippe nach vorn. Sie war feucht und glänzte. Für einen Augenblick erinnerte er sich, daß er diesen Mann schon einmal etwas zu heftig angefaßt hatte.
    Behutsam und ohne die geringste Kraftanwendung hob er den Bewohner der schwebenden Stadt auf. Er trug ihn zu einer Liege hinüber. Mona de Fries hatte bereits eine Hochdruckspritze vorbereitet. Mit einem leisen Zischen wurde das Medikament direkt durch die Haut des Bioklimatologen gepreßt.
    Eine rötliche Verfärbung mit schneeweißen Rändern bildete sich auf dem Arm des Mannes.
    »Was war das denn?« fragte Reanny verdutzt.
    »Wir brauchen keine Nadeln mehr, wenn wir eine Spritze geben wollen«, lächelte Mona.
    Reanny nickte. Er hatte längst begriffen, wieviel er von den Bewohnern der schwebenden Stadt lernen konnte. Reanny war nicht dumm. Trotzdem hatte sein mangelhaft trainiertes Gehirn immer wieder Schwierigkeiten, die Flut der neuen Eindrücke zu verarbeiten. Aber er lernte. Unaufhaltsam und ohne daß es ihm selbst bewußt wurde, paßte sich sein unverbrauchter Geist den neuen Lebensbedingungen an.
    Es war, als hätte die entscheidendste Veränderung in seinem Leben einen diffusen Schleier von seinem Hirn entfernt. Der Schock hatte aus dem stumpf dahinvegetierenden Inselfarmer einen neuen Menschen gemacht. Zuerst war es nur ein dumpfes Aufbegehren gewesen; mit einer Mischung aus Trotz und versteckter Angst hatte er gegen seine Entführung protestiert. Sein Selbstbewußtsein war nur sehr langsam zurückgekommen. Doch jetzt fühlte er sich den Bewohnern der schwebenden Stadt bereits überlegen. Er akzeptierte, daß sie unendlich viel mehr wußten als er. Sie besaßen eine Technik, von der er nichts verstand. Sie waren feiner, kultivierter und gebildeter als er. Und doch besaß der Inselfarmer eine kreatürliche Überlegenheit. Er war fest davon überzeugt, daß seine primitive Naturverbundenheit jetzt seine einzige Stärke war.
    Er machte einen Schritt nach vorn und beugte sich über den jungen Mann. Die Augenlider von Jan van Sonar flatterten. Sein Gesicht hatte eine fahle, ungesunde Farbe angenommen. Die eingedrehten Locken seines Haares waren in einem jämmerlichen Zustand. Unordentlich und vom Schweiß verklebt, standen sie nach allen Seiten ab. Obwohl es überhaupt keinen Anlaß dafür gab, mußte Peter Reanny grinsen. Jan van Sonar wirkte wie ein zu stark geschminkter Schauspieler, der von einem plötzlichen Gewitterregen überrascht worden war. Vorsichtig umfaßte Reanny mit seinen breiten Händen die Schultern des jungen Mannes. Jan van Sonar stöhnte auf. Sein Gesicht verzog sich, als er Reanny erkannte.
    »Sie tun ihm weh«, sagte Mona und versuchte, Reanny zur Seite zu schieben. Ein unwilliges Knurren kam aus der Brust des

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