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Die Stadt - Roman

Titel: Die Stadt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Louises Hand und führte sie zum Felsen. »Hier ist das Ufer. Ich ziehe mich hoch, und dann helfe ich dir? Hast du verstanden?«
    »J-ja.«
    »Schwimm nicht weg, Louise. In dieser Dunkelheit fiele es mir verdammt schwer, dich wiederzufinden.«
    »Es ist dunkel«, sagte Louise mit zittriger Stimme. »Völlig dunkel.«
    »Ich weiß. Aber gleich bist du aus dem Wasser.«
    Benjamin kletterte ans Ufer, und Louise war vernünftig genug zu warten, bis er nach ihren Armen griff und sie hochzog. »Bleib da sitzen, hörst du? Lehn dich an die Wand und bleib sitzen.«

    »Was machst du?«
    »Ich lege die Taschenlampe und ihre Batterien dort drüben hin, damit sie trocknen. Wenn sie trocken sind, mache ich Licht.«
    »Und wenn die Lampe nicht mehr funktioniert?«
    »Sie wird funktionieren, glaub mir«, sagte Benjamin, obwohl er da keineswegs so sicher war. »Wichtig ist, dass du ruhig bleibst.«
    »Geh nicht weg. Lass mich in dieser verfluchten Dunkelheit nicht allein.«
    Er rückte nahe an sie heran und merkte, wie sehr sie zitterte. Es lag nicht nur an der Angst vor der Finsternis, sondern auch an der Kälte.
    »Runter mit den nassen Sachen«, sagte Benjamin und zog Parka, Hemd und Hose aus. »Wenigstens sind wir jetzt nicht mehr so schmutzig.«
    »Und wenn schon«, kam es aus dem Dunkeln. Benjamin lächelte unwillkürlich, als er den Ärger in Louises Stimme hörte. Der Schock war halb überwunden.
    Zehn oder fünfzehn Minuten lang saßen sie halbnackt nebeneinander und versuchten sich gegenseitig zu wärmen. Dann zuckte Louise plötzlich zusammen.
    »Meine Jacke!«, entfuhr es ihr. »Wo ist meine Jacke?«
    »Noch immer dort, wo du sie hingelegt hast«, erwiderte Benjamin geduldig und hörte, wie Louise in der Dunkelheit kramte. »Was suchst du?«
    Louise antwortete nicht. Nach einigen weiteren Sekunden seufzte sie, kehrte zur Wärme von Benjamins Körper zurück und sagte: »Es ist noch da. Ich habe es nicht im Wasser verloren.«

    Das Lebensbuch, dachte er, griff nach der Taschenlampe und fragte sich, wie lange es dauerte, bis ihre Verfolger den ersten Tauchversuch unternahmen. Er legte die Batterien in die Lampe, schraubte sie zu und betätigte den Schalter. Nichts geschah; es blieb dunkel.
    »Verdammt, verdammt!«, fluchte Louise. »Ich hab’s gewusst.«
    Benjamin schüttelte die Lampe, und schließlich kam etwas Licht von ihr, nicht so viel wie zuvor, aber immerhin.
    »Wir hatten in letzter Zeit ziemlich viel Pech«, sagte Benjamin. »Ich glaube, das Schicksal war uns etwas schuldig.«
    Vor ihnen fiel das Licht der Taschenlampe auf einige von der Petrow-Expedition zurückgelassene Gegenstände: vier Rucksäcke, offenbar teilweise mit Proviant gefüllt, und eine alte, halb vermoderte Kiste.

    Louise hatte eine Dose geöffnet und fischte Pfirsichstücke heraus. »Was glaubst du?«, fragte sie mit vollem Mund.
    Benjamin glaubte, dass ihre Brüste hübsch waren, nicht zu klein und nicht zu groß. Er versuchte, nicht hinzusehen, als er sich zum Feuer vorbeugte, das zwischen ihnen brannte. Einer der vier Rucksäcke am Ufer hatte mehrere Feuerzeuge enthalten, und das Holz der alten Kiste war einigermaßen trocken.
    Ihre Kleidung hing an krummen Stangen und trocknete in der Nähe der Flammen. Das Feuer hatten sie in einem nur zehn Meter langen und an einer Felswand endenden Seitentunnel entzündet, damit sein Schein nicht direkt auf die große Wasserfläche fiel. Benjamin bezweifelte zwar, dass das Licht auch auf der anderen Seite des überfluteten Tunnels zu
sehen gewesen wäre, aber er wollte vermeiden, den Verfolgern einen Hinweis zu geben. Im flackernden Schein zeigten sich Kratzer und Schrammen in Louises Gesicht und an ihren Händen, Erinnerungen an das Chaos im Supermarkt. Benjamin betrachtete die eigenen Hände und stellte fest, dass sie nicht viel besser aussahen.
    »Ob ich was glaube?«, fragte er, zog ein weiteres Würstchen aus der Dose und biss hinein.
    »Schwimmen Hannibal und seine Leute uns hinterher?« Louise kaute genießerisch.
    »Ich weiß nicht, ob sie gesehen haben, wie wir unter Wasser verschwunden sind«, antwortete Benjamin nachdenklich. »Und selbst wenn sie uns dabei beobachtet haben: Vielleicht glauben sie, dass wir ertrunken sind.«
    »Hannibal ist nicht dumm.«
    »Wenn sie tauchen, finden sie den überfluteten Tunnel«, setzte Benjamin seine Überlegungen fort und blickte dabei zum See, der kaum größer war als jener auf der anderen Seite des Schuttwalls. Durch die einige Meter entfernte

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