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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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verwirrend. Man sah ihnen an, dass ihnen das Ausmaß der Verstrickungen dämmerte, in denen sie sich verfangen hatten. Einer redete leise auf seinen Genossen ein, dann wandten beide sich ab und trabten in Richtung Aufzug.
    »Stehen bleiben«, schrie ich von meinem Platz an der Seite des stöhnenden Ashil, aber sie ignorierten mich. »Rührt euch nicht vom Fleck.« Aber die Rechten Bürger zogen die Tür zum Treppenhaus auf und flüchteten nach unten, heim nach Besźel.
    »Ich bin in Ordnung, nichts passiert«, ächzte Ashil. Ich tastete ihn nach Verletzungen ab. Unter dem Anzug trug er eine Art Schutzweste. Diese hatte das potenziell tödliche Geschoss aufgefangen, doch er war auch noch unterhalb der Schulter getroffen worden, eine blutende und schmerzhafte Wunde. Trotzdem: »Sie da!«, herrschte er den Standortleiter von Sear and Core an. »Hiergeblieben! Vielleicht genießen Sie in Besźel Immunität, aber Sie sind nicht in Besźel, wenn ich es sage. Sie sind im Grenzbruch.«
    Croft beugte sich ins Cockpit und wechselte einige Worte mit dem Piloten, der nickte und den Rotor schneller laufen ließ.
    »Sind Sie fertig?«, erkundigte sich Croft.
    »Aussteigen. Der Hubschrauber bleibt am Boden.« Ashil war unerbittlich, auch gegen sich selbst.
    »Ich bin weder Besź noch Qomani«, erwiderte Croft. Er sprach Englisch, obwohl er uns eindeutig verstehen konnte. »Ich bin weder an euch interessiert, noch habe ich Angst vor euch. Ahndung!« Er schüttelte den Kopf. »Eine Bizarrerie sondergleichen. Bildet ihr euch ein, auch nur eine Menschenseele außerhalb dieser komischen kleinen Städte würde sich einen Deut um euch scheren? Sie mögen euch finanzieren, euch gehorchen, ohne Fragen zu stellen, sie mögen in Angst vor euch leben, aber den Rest der Welt könnt ihr nicht beeindrucken.« Er glitt auf den Sitz neben dem Piloten und schnallte sich an. »Auch wenn ich nicht glaube, dass ihr es könntet, ich möchte Ihnen trotzdem dringend empfehlen, keinen Versuch zu unternehmen, diese Maschine am Start zu hindern. ›Bleibt am Boden‹, dass ich nicht lache! Habt ihr euch überlegt, was passieren würde, wenn ihr meine Regierung provoziert? Allein die Vorstellung von Besźel oder Ul Qoma, die gegen einen real existierenden Staat in den Krieg ziehen, ganz zu schweigen von eurer Phantasten-Clique!«
    Er zog die Tür zu. Wir machten eine ganze Zeitlang keine Anstalten aufzustehen, Ashil und ich. Er lag auf dem Boden, ich kniete neben ihm, während der Motorenlärm des Hubschraubers ohrenbetäubend anschwoll und das unförmig aussehende Ding sich mit einem Satz vom Boden löste, uns mit aufgewühlter Luft überschüttete, unsere Kleider hin und her riss und an dem toten Buric rüttelte. Dann entschwebte er, wie von fremden Mächten gezogen, zwischen den Hochhäusern der beiden Städte, stieg in den Luftraum über Besźel und Ul Qoma, auch diesmal das einzige Objekt am weiten Himmel.
    Ich schaute ihm nach. Eine Invasion Ahndungs. Fallschirmjäger, die über beiden Städten absprangen, die geheimen Büros in den umstrittenen Gebäuden stürmten ... Um Ahndung angreifen zu können, musste ein Invasor in Besźel und Ul Qoma eindringen.
    »Verwundeter Avatar«, sagte Ashil in sein Funkgerät. Er nannte unsere Koordinaten. »Unterstützung erbeten.«
    »Kommt«, antwortete das Gerät.
    Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Mauer. Im Osten kündigte sich der neue Morgen an. Von unten tönten immer noch die Geräusche von Scharmützeln herauf, aber weniger und abflauend. Dafür hörte man häufiger Sirenengeheul, sowohl Besźels als auch Ul Qomas, was darauf schließen ließ, dass Policzai und Militsya ihr Terrain wieder in Besitz nahmen und Ahndung sich, wo möglich, zurückzog. Ein weiterer Tag unter Kriegsrecht, um die letzten Unif-Nester auszuheben, um den Normalzustand wiederherzustellen, die letzten noch umherirrenden Flüchtlinge einzusammeln und in die Lager zurückzubringen, aber das Schlimmste war überstanden. Ich beobachtete das Heraufziehen der vom Morgenlicht rosig durchhauchten Wolken. Ich durchsuchte Burics Leichnam, aber er hatte nichts Interessantes bei sich.
 
    Ashil sagte etwas. Seine Stimme war kraftlos, und ich musste ihn bitten, es zu wiederholen.
    »Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte er. »Dass er das fertiggebracht hat.«
    »Wer.«
    »Buric. Irgendeiner von denen.«
    Ich lehnte mich an einen Schornstein und schaute ihn an. Schaute, wie die Sonne aufging.
    »Nein«, stimmte ich schließlich zu.

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