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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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versetzte ohnehin schon erschütterte Fußgänger in Todesangst, überquerte in ungemindertem Tempo einen deckungsgleichen Platz, brauste in eine Straße in total Ul Qoma. Ich beugte mich zur Seite und beobachtete, wie der Hubschrauber zu den Dächern am Flussufer hinuntersank, eine halbe Meile vor uns.
    »Er ist gelandet«, sagte ich. »Geben Sie Gas.«
    Da war der umgebaute Lagerschuppen, die zu jedem qomanischen Gebäude gehörenden Gasgondelwarten links und rechts daneben. Der Platz menschenleer, das Sear-and-Core-Gebäude jedoch trotz der späten Stunde von oben bis unten hell erleuchtet, und am Eingang standen Wachen. Sie setzten sich in martialischer Haltung in Bewegung, als wir eintraten. Das Foyer in Marmor, neonbeleuchtet, das S&C-Logo in Edelstahl wie ein Kunstwerk an der Wand platziert, Werbekataloge und Jahresberichte im Stil von Hochglanzmagazinen auf Tischen neben Sofas ausgelegt.
    »Raus«, sagte ein Mann, Besźel Ex-Militär. Er legte die Hand auf die Pistolentasche und schritt gefolgt von seinen Männern auf uns zu. Dann blieb er ruckartig stehen, als er sah, wie Ashil sich bewegte.
    »Zurück!« Ashil zog finster die Brauen zusammen. »Heute Nacht steht Besźel unter dem Kommando von Ahndung.« Er brauchte sein Petschaft nicht vorzuweisen. Die Männer wichen zurück. »Entriegelt den Aufzug, gebt mir den Schlüssel für die oberen Stockwerke. Ihr bleibt hier. Wir fahren allein hinauf.«
    Wären die Sicherheitsleute von außerhalb gewesen, aus dem Heimatland von Sear and Core, von den Niederlassungen in Europa beziehungsweise Nordamerika abgezogen, hätten sie womöglich Ashils Anweisungen nicht Folge geleistet. Aber hier war Besźel, und die Wachen waren Besź und gehorchten dem Avatar von Ahndung. Als die Aufzugstür sich hinter uns schloss, zog Ashil seine Waffe heraus. Eine massige Pistole fremdartiger Bauart, der Lauf umschlossen von einem bedrohlich aussehenden Schalldämpfer. Er benutzte den Schlüssel, den der Sicherheitschef uns gegeben hatte, um bis ganz nach oben zu fahren, auf das Dach des Gebäudes.
 
    Die Tür ging auf. Ein böiger, kalter Wind empfing uns und ein Panorama gewölbter Dächer und Antennen. Die Vertäuung qomanischer Gasgondelwarten, ein paar Straßen weiter die Spiegelfronten qomanischer Wolkenkratzer, Türme von Tempeln in beiden Städten und da vor uns, hinter einem Verhau von Schutzzäunen, der Hubschrauberlandeplatz. Der schwarzgraue Firmenkopter wartete, der Rotor drehte sich sehr langsam, beinahe lautlos. Davor standen dicht zusammen mehrere Personen.
    Wir hörten nicht viel außer dem sonoren Brummen des Motors, den von Sirenengeheul punktierten Gefechten zwischen Aufständischen und Ahndern in der Nachbarschaft. Weil es den Personen bei dem Hubschrauber nicht anders erging, konnten wir unbemerkt ein gutes Stück an sie herankommen. Es waren vier Männer, zwei davon groß und kräftig, mit kahlgeschorenem Schädel. Sie sahen aus wie Ultranats: Rechte Bürger als Leibwächter in geheimer Mission. Sie flankierten einen Anzugträger, den ich nicht kannte, und jemanden, dessen Gesicht ich so, wie er stand - in angeregter Unterhaltung mit dem anderen Mann -, nicht sehen konnte.
    Endlich wurde einer der beiden Leibwächter auf uns aufmerksam. Unruhe ergriff die Gruppe, man schaute zu uns hin. Von seinem Cockpit aus drehte der Pilot den grellen Suchscheinwerfer seiner Maschine in unsere Richtung. Kurz bevor der Lichtkegel uns erfasste, hatte sich auch der letzte Mann umgewandt, und unsere Blicke trafen sich.
    Es war Mikhel Buric. Der Sozialdemokrat, die Nummer zwei in der Hierarchie der Handelskammer.
    Vom Scheinwerferlicht geblendet, fühlte ich nur, wie Ashil nach meinem Arm griff und mich hinter ein dickes Entlüftungsrohr aus Metall zog. Eine knisternde Spannung hing zwischen uns und den Männern am Hubschrauber. Ich wartete auf einen Schuss, doch es fiel keiner.
    »Buric«, sagte ich zu Ashil. »Buric. Ich wusste, Syedr konnte nicht dahinterstecken.«
    Buric war der Kontaktmann, der Organisator. Der Mahalias Überzeugungen kannte, der sie bei ihrem ersten Auftritt in Besźel erlebt hatte, als sie sämtliche Konferenzteilnehmer mit ihrer unausgegorenen Erstsemester-Dissidenz vor den Kopf stieß. Buric, der Drahtzieher. Er kannte Mahalias Aufsätze, er wusste, wonach sie sich sehnte, die etwas andere Geschichte, die Tröstungen des Wahns, von dem Mann hinter dem Vorhang gehätschelt werden. Er hatte die Möglichkeiten, ihre fixen Ideen zu nähren. Einen Abnehmer zu

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