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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Anruferkennung. Ich setzte mich aufrecht hin. »Google. Ihr Name steht in den Zeitungen. Sie sind der leitende Ermittler im Fall der unbekannten Toten. An Unterlingen vorbeizukommen ist kein großes Kunststück. Wollen Sie, dass ich Ihnen helfe, oder nicht?«
    Ich ertappte mich dabei, dass ich mich nach allen Seiten umschaute, aber ich war allein. »Von wo rufen Sie an?« Ich spähte durch einen Spalt zwischen den Lamellen der Jalousie vor meinem Fenster, um zu sehen, ob mich jemand von der anderen Straßenseite aus beobachtete. Natürlich war niemand da.
    »Kommen Sie, Borlú. Sie wissen, von wo ich anrufe.«
    Ich machte Notizen. Ich kannte den Akzent.
    Ul Qoma.
    »Sie wissen, von wo ich anrufe, und deshalb ersparen Sie uns beiden viel unnötiges Hin und Her und fragen bitte gar nicht erst nach meinem Namen.«
    »Kein Gesetz verbietet Ihnen, mit mir zu reden.«
    »Sie haben keine Ahnung, was ich Ihnen sagen will. Es ist ...« Er unterbrach sich, und ich hörte ihn mit der Hand über der Sprechmuschel kurz mit jemandem reden. Dann:
    »Sehen Sie, Borlú, ich kenne nicht Ihre Einstellung zu diesen Dingen, aber ich denke, es ist verrückt, geradezu ein Affront, dass ich Sie tatsächlich aus einem anderen Land anrufe.«
    »Ich interessiere mich nicht für Politik. Wenn Sie übrigens lieber ...« Bei dem letzten Satz hatte ich umgeschwenkt auf Illit, die Sprache von Ul Qoma.
    »Nicht nötig.« Er unterbrach mich in seinem altmodischen Besź mit Illit'schem Zungenschlag. »Außerdem ist es ohnehin vom Ursprung her dieselbe Sprache.« Ich notierte den Ausspruch. »Jetzt lassen Sie mich reden, falls Sie auf meine Informationen Wert legen.«
    »Natürlich tue ich das.« Ich war aufgestanden, streckte die Hand nach dem Telefonapparat aus, überlegte krampfhaft, ob es eine Möglichkeit gab, den Anrufer festzustellen. Meine Leitung war nicht dafür ausgerüstet, Gespräche zurückzuverfolgen, und über BesźTel würde es Stunden dauern, selbst wenn es mir gelang, die Leute dort zu erwischen, bevor mein Gesprächspartner aufgelegt hatte.
    »Die Frau, die Sie ... Sie ist tot. Nicht wahr? Sie ist tot. Ich kannte sie.«
    »Es tut mir leid zu ...« Das von mir, nachdem er viele Sekunden lang geschwiegen hatte.
    »Ich kannte sie ... Ich bin ihr vor einiger Zeit begegnet. Ich will Ihnen helfen, Borlú, aber nicht, weil Sie ein Bulle sind. Heiliger Strohsack. Ich erkenne Ihre Autorität nicht an. Aber wenn Marya ... wenn sie ermordet wurde, dann schweben möglicherweise einige andere Personen, die mir wichtig sind, in Gefahr. Eingeschlossen die Person, die mir, mit Verlaub gesagt, am wichtigsten ist, nämlich ich selbst. Kommen wir zur Sache.
    Ihr Name ist Marya. So hat sie sich mir vorgestellt. Wir haben uns hier kennengelernt, in Ul Qoma. Ich erzähle Ihnen, was ich über sie weiß, aber ich hatte kein Dossier über sie, wenn Sie verstehen, was ich meine. Nicht meine Angelegenheit. Sie war eine Ausländerin. Ich kannte sie aus politischen Kreisen. Sie war ernsthaft - engagiert, verstehen Sie? Nur in anderer Hinsicht, als ich zuerst dachte. Sie wusste viel, sie verschwendete keine Zeit.«
    »Sie war ...«, versuchte ich einzuwerfen.
    »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Sie wohnte hier.«
    »Sie war in Besźel.«
    »Unsinn.« Er war ärgerlich. »Unsinn. Nicht offiziell. Unmöglich. Selbst wenn sie dort war, war sie hier. Suchen Sie in den Zellen, bei den Radikalen. Jemand wird wissen, wer sie ist. Sie respektierte die Grenze nicht. Bewegte sich im Untergrund. Hüben wie drüben. Dabei muss es passiert sein.«
    »Wie haben Sie erfahren, dass sie ermordet wurde?« Ich hörte seinen zischenden Atemzug.
    »Borlú, wenn Sie diese Frage allen Ernstes stellen, sind Sie ein Idiot, und ich vergeude meine Zeit. Ich habe ihr Bild gesehen, Borlú. Glauben Sie, ich würde Ihnen helfen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass ich es tun muss? Wenn ich nicht überzeugt wäre, es ist wichtig? Was glauben Sie denn, wie ich es erfahren habe? Ich habe das verdammte Plakat gesehen. «
    Er legte auf. Ich hielt den Hörer noch eine Weile ans Ohr, als wartete ich darauf, dass noch etwas kam.
    Ich habe das verdammte Plakat gesehen. Als ich den Blick auf meinen Notizblock richtete, las ich neben den Stichworten, die ich mir aufgeschrieben hatte: Mist/Mist/Mist.
 
    Es hielt mich nicht in meinem Büro. »Alles in Ordnung mit Ihnen, Tyador?«, erkundigte sich Gadlem. »Sie sehen nicht gut aus.« An einem Stand unterwegs gönnte ich mir einen starken Kaffee aj Tyrko

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