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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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der Kundenliste des Händlers zu finden war. Wie ich ohne große Mühe hatte feststellen können, galt das Buch mittlerweile eher als peinlicher Atavismus und längst nicht mehr als volksverhetzendes Schriftgut. Die meisten der in Besźel verbotenen Bücher fielen in dieselbe Kategorie: Sanktionen waren kaum zu befürchten, selbst die Zensoren wetzten keine Messer mehr.
    Erschienen war es in einem längst ins Nirwana eingegangenen Anarcho-Hippie-Verlag, der Inhalt jedoch schien erheblich nüchterner zu sein, als der psychedelisch gestaltete Einband suggerierte. Der Druck war miserabel, die Zeilen eierten über die Seiten und es gab kein Inhaltsverzeichnis, in meinen Augen ein gravierender Minuspunkt.
    Ich legte mich aufs Bett, rief die beiden Frauen an, mit denen ich befreundet war, und erzählte von meiner bevorstehenden Auslandsreise. Biszaya, die Journalistin, sagte nur: »Toll. Geh auf jeden Fall in die Brunai-Galerie, dort zeigen sie momentan Werke von Kunellis. Kauf mir eine Ansichtskarte.« Sariska, die Historikerin, bekundete größere Überraschung und auch ein wenig Enttäuschung über meine Abwesenheit für unbestimmte Zeit.
    »Hast du jemals Zwischen der Stadt und der Stadt gelesen?«, erkundigte ich mich.
    »Im ersten Jahr an der Uni, aber klar. Mein Tarnumschlag war Der Wohlstand der Nationen.« In den 60er- und 70er-Jahren schlüpften manche auf den Index verbannten Werke in den Schafspelz unverdächtiger Bücher, die dafür ihre »Haut« lassen mussten. »Wie kommst du darauf?«
    »Und was hast du gedacht?«
    »Zu der Zeit? Dass es sensationell ist, Mann. Und wie unglaublich mutig ich bin, ein verbotenes Buch zu lesen. Später fand ich es lächerlich. Durchlebst du eine verspätete Pubertät, Tyador?«
    »Kann sein. Niemand versteht mich. Ich habe nicht darum gebeten, geboren zu werden.« An den genauen Inhalt des Buches konnte sie sich nicht mehr erinnern.
    »Ich kann's nicht glauben«, grollte Corwi, als ich anrief und sie über die neusten Entwicklungen informierte.
    »Ich weiß. Das habe ich Gadlem auch gesagt.«
    »Sie ziehen mich von dem Fall ab?«
    »Ich glaube nicht, dass es ein ›sie‹ gibt. Aber leider stimmt es, dass Sie nicht mitkommen dürfen.«
    »Und damit hat sich's? Ich bin weg vom Fenster?«
    »Tut mir leid.«
    »Heuchler. Die Frage ist«, meinte sie nach einer Minute, in der wir nicht sprachen, sondern wie verliebte Teenager auf unser gegenseitiges Schweigen lauschten und auf die Atemzüge des anderen, »wer kann euch das Material geschickt haben? Oder vielmehr, wie hat man das Material gefunden? Wie viele endlose Stunden Bandmaterial gibt es, von wie vielen Kameras? Seit wann haben die die Zeit, den ganzen Scheiß zu sichten? Warum ausgerechnet dieses Mal ein solcher Aufwand?«
    »Ich reise erst in ein paar Tagen ab. Ich überlege ... Übermorgen habe ich meine Einweisung ...«
    »Und?«
    »Na ja ...«
    »Und?«
    »Tut mir leid, ich habe nachgedacht. Über dieses Videomaterial, das man uns um die Ohren gehauen hat. Haben Sie Lust, eine letzte kleine Ermittlung anzustellen? Ein paar Telefonanrufe, zwei, drei Hausbesuche. Insbesondere einen Punkt möchte ich geklärt sehen, bevor mein Visum und der andere Sums geliefert werden - ich dachte an diesen Lieferwagen, der so mir nichts dir nichts über die Grenze gegondelt ist. Aber ich warne: Sie könnten sich damit in Schwierigkeiten bringen.« Das fügte ich in scherzhaftem Ton hinzu, als handelte es sich um einen zusätzlichen Bonus. »Da Sie von dem Fall abgezogen sind, erfolgt jede weitere Betätigung auf diesem Gebiet ohne offizielle Genehmigung.« Das stimmte nicht ganz - solange sie auf meine Anweisung handelte, drohten mir die Schwierigkeiten, nicht ihr.
    »Verflucht, dann erst recht«, sagte sie. »Ohne Genehmigung ist auch genehm.«

11. Kapitel
 
    »Ja?« Mikyael Khurusch spähte durch die spaltbreit geöffnete Tür seines schäbigen Büros. »Inspektor. Sie sind das. Was ... Hallo?«
    »Mr. Khurusch? Wir hätten ein paar Fragen.«
    »Lassen Sie uns bitte herein, Sir«, sagte Corwi. Er öffnete die Tür etwas weiter, um auch sie einer verdrießlichen Musterung zu unterziehen, seufzte und erlaubte uns einzutreten.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?« Er faltete und knetete die Hände.
    »Wie kommen Sie zurecht ohne Ihren Lieferwagen?«, erkundigte sich Corwi.
    »Miserabel, aber ein Freund hilft mir aus.«
    »Nett von ihm.«
    »Ja, nicht wahr?«
    »Wann haben Sie ein FD-Visum für Ihren Lieferwagen bekommen, Mr. Khurusch?«,

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