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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Zeit auf ihre wertvolle Arbeitskraft verzichten muss.«
    »Müssen Sie?« Er musterte mich sardonisch: Habe ich eine Wahl? »Ich möchte Corwi mitnehmen.«
    Er stieß ein höhnisches Prusten aus. »Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Seien Sie nicht albern.«
    Ich fuhr mir mit beiden Händen durchs Haar. »Aber ich brauche sie. Corwi weiß besser über den Fall Bescheid als ich. Sie hat von Anfang an verantwortlich daran mitgearbeitet. Wenn ich drüben weiter ermitteln soll ...«
    »Borlú, Sie werden nicht ermitteln, Sie sind ein Gast. Unserer Nachbarn. Sie wollen mit Ihrem privaten Dr. Watson anreisen? Sonst noch Wünsche, die ich Ihnen erfüllen kann? Masseuse? Versicherungsfachmann? Sprechen Sie mir nach: Da drüben sind Sie der Assistent. Schlimm genug, dass Sie Corwi überhaupt schanghait haben. Auf Grund welcher Berechtigung, bitte? Statt das zu beweinen, was Sie verloren haben, denken Sie an die schöne gemeinsame Zeit zurück.«
    »Das ist ...«
    »Ersparen Sie mir die Wiederholung. Wollen Sie wissen, was echter Schwachsinn ist, Inspektor?« Er richtete die Fernbedienung auf mich, als könnte er mich anhalten oder zurückspulen. »Echter Schwachsinn ist, wenn ein leitender Beamter der Mordkommission Besźel in Begleitung einer Polizeibeamtin, die er stillschweigend zu seinem persönlichen Helferlein ernannt hat, einer zu Gewalttätigkeit neigenden politischen Gruppierung mit hochgestellten Freunden einen ungenehmigten, unnötigen und unproduktiven Besuch abstattet.«
    »Aha. Sie haben es erfahren. Von dem Winkeladvokaten?«
    »Wovon sprechen Sie? Der Abgeordnete Syedr war so freundlich, mich heute Morgen anzurufen.«
    »Syedr persönlich hat angerufen? Verdammt. Entschuldigung, Sir. Ich bin erstaunt. Und was lässt er mir ausrichten? Ich soll seine Schützlinge nicht wieder belästigen? Ich dachte, es gäbe die stillschweigende Übereinkunft, dass er niemals öffentlich mit den RBs in Verbindung gebracht wird? Deshalb doch dieser Premium-Anwalt, der mir für die tumbe Bande ein bisschen zu poliert vorkam.«
    »Borlú, ich weiß nur, dass Syedr als aufdämmernd Eos mit Rosenfingern emporstieg, von dem gestrigen Tête-à-tête erfuhr und dass dabei sein Name gefallen sei, woraufhin er nichts Eiligeres zu tun hatte, als mich in heller Empörung anzurufen und damit zu drohen, Maßnahmen gegen Sie zu ergreifen, sollte noch einmal sein Name in dem bewussten Zusammenhang erwähnt werden und so weiter und so fort. Ich weiß nicht und will auch nicht wissen, was zu dieser speziellen ermittlungstechnischen Nullnummer geführt hat, aber ich habe in dem Zusammenhang noch eine kleine Denkübung für Sie, über die Parameter des Zufalls. An diesem nämlichen Morgen, nur wenige Stunden nach Ihrer fabelhaft ergiebigen Stippvisite bei den Herrschaften stramm patriotischer Gesinnung, erhielten wir dieses Filmmaterial, und die Sache mit Ahndung hatte sich erledigt. Und nein, auch ich habe keine Ahnung, welche Rädchen sich da gedreht haben, aber es ist eine interessante Tatsache am Rande, finden Sie nicht?«
 
    »Fragen Sie mich nicht, Borlú«, sagte Taskin, als ich sie anrief. »Ich weiß rein gar nichts. Gerüchte schwirren herum, das ist alles. Nyisemu ist nicht glücklich über das, was passiert ist, Buric tobt, Katrinya ist verwirrt, Syedr entzückt. Das erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand. Wer was hat durchsickern lassen, wer mit wem kungelt, darüber weiß ich nichts. Tut mir leid.«
    Ich bat sie, die Ohren offen zu halten. Mir blieben ein paar Tage, um mich vorzubereiten. Gadlem hatte meine Daten den relevanten Abteilungen in Besźel übermittelt und einem Kollegen in Ul Qoma, der mein Kontaktmann sein würde. »Und beantworten Sie Ihre verdammten Nachrichten«, sagte er. Einreisepapiere und Einweisung würde man für mich organisieren. Ich ging nach Hause, inspizierte meinen Kleiderschrank, warf meinen alten Koffer aufs Bett, hob Bücher auf und legte sie wieder weg.
    Eins davon war neu. Heute Morgen mit der Post gekommen, per Eilversand. Ich hatte es online bestellt, über einen Link bei fracturedcity.com.
    Mein Exemplar von Zwischen der Stadt und der Stadt war alt und zerlesen, intakt zwar, aber das Deckblatt war umgeknickt, die Seiten waren fleckig und mit Kommentaren in wenigstens zwei verschiedenen Handschriften versehen. Ungeachtet dieser Mängel hatte ich einen exorbitanten Preis dafür bezahlt, weil es in Besźel auf dem Index stand. Trotzdem machte ich mir keine Sorgen wegen meines Namens, der jetzt auf

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