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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Wahrscheinlichkeit die tote Mahalia hinten im Laderaum. »Jesus. Wer hat das gefunden? Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich. Gadlem seufzte. Rieb sich die Augen.
    »Sekunde.« Ich hob die Hand. Mein Blick hing an dem Schreiben des Kontrollausschusses, mit dem Gadlem sich das Gesicht fächelte. »Das ist die Ecke der Kopula«, sagte ich. »Gottverdammt. Das ist die Kopula. Und das ist Khuruschs Lieferwagen, der von Besźel nach Ul Qoma fährt und wieder zurück nach Besźel. Legal.«
    »Bingo«, sagte Gadlem im Ton eines gelangweilten Rateshowmoderators. »Getroffen. Den Nagel auf den Kopf.«
 
    Im Zuge der, tat man uns kund und zu wissen, Hintergrundrecherche, die jedem Ersuchen an Ahndung vorausging (und mit deren Ergebnis wir uns demnächst näher befassen würden, versicherte ich Gadlem), hatte man das CCTV-Material der fraglichen Nacht überprüft. Das klang nicht überzeugend. Erstens, der Grenzbruch im Fall Geary war nach Beweislage glasklar. Weshalb hätte sich jemand bemüßigt fühlen sollen, endlose Stunden Videomaterial zu sichten? Zweitens, die Uralt-Kameras auf der Besźel-Seite der Kopula lieferten keine Bilder, auf denen man Nummernschilder erkennen konnte - dieses Material kam von außerhalb, stammte aus dem privaten Sicherheitssystem einer Bank, das irgendein Ermittler sich beschafft hatte.
    Auf der Grundlage der von Inspektor Borlú und seinem Team beigebrachten Fotografien, teilte man uns im weiteren mit, konnte man eines der Fahrzeuge, die einen der offiziellen Checkpoints in der Kopula von Ul Qoma nach Besźel passierten, als dasjenige identifizieren, das zum Transport der ermordeten Mahalia Geary benutzt worden war. Obwohl also ohne Frage ein scheußliches Verbrechen begangen worden war, dessen Aufklärung mit höchster Dringlichkeit betrieben werden sollte, hatte bei dem Verbringen der Leiche vom Tatort, der in Ul Qoma zu vermuten war, zum Ort des Auffindens in Besźel kein Grenzbruch stattgefunden. Die Ein- und Ausreise erfolgte auf legalem Weg. Ergo gab es keinen Grund, Ahndung zu ersuchen. Es wurde kein Grenzbruch begangen.
    Diese Besonderheit unserer Jurisdiktion pflegte bei Außenstehenden Verwirrung zu stiften. Schmuggel, zum Beispiel, sagen sie, Schmuggel ist ganz bestimmt immer Grenzbruch, oder? Logisch? Tja, klassischer Fehlschluss.
    Ahndung besitzt Macht, die unsereins sich nicht vorstellen kann, doch seine Berufung ist klar definiert. Nicht der Gang von einer Stadt in die andere steht zur Debatte, auch nicht, ob dabei Konterbande mitgeführt wird, es geht einzig um das Wie. Wirf Felid oder Kokain oder Waffen aus einem rückwärtigen Fenster deiner Wohnung in Besźel über einen deckungsgleichen Garten hinweg in einen Hof in Ul Qoma, wo der Kontakt die Ware aufsammelt: Das ist Grenzbruch und Ahndung wird dich kriegen, und es wäre auch Grenzbruch, wenn du Federn wirfst oder Brot. Doch wenn man eine Atomwaffe stiehlt und sie undeklariert, aber auf dem korrekten Weg über den Grenzübergang in der Kopula in die andere Stadt, ja, schmuggelt? Nach diesem Muster werden viele Verbrechen begangen, aber sie sind nicht Grenzbruch.
    Schmuggel an sich ist kein Grenzbruch, auch wenn in den meisten Fällen Grenzbruch zum Zweck des Schmuggelns begangen wird. Die cleveren Dealer jedoch sind darauf bedacht, stets legal die Grenze zu überschreiten und sich in dieser Beziehung nichts zuschulden kommen zu lassen, damit, falls sie ertappt werden, sie nur mit dem Gesetz der einen oder anderen Seite zu tun bekommen und nicht mit Ahndung. Möglicherweise bezieht Ahndung, wenn ein Grenzbruch begangen wurde, die Einzelheiten dieser »peripheren« Straftaten in seine Erwägungen mit ein, aber nur deshalb, weil sie im Zusammenhang mit dem Grenzbruch stehen, denn das einzige Verbrechen, das Ahndung bestraft, ist die grundlegende Missachtung der unsichtbaren Trennungslinie zwischen Ul Qoma und Besźel.
    Der Diebstahl des Lieferwagens und das Deponieren der Leiche in Besźel waren strafbare Handlungen, der Mord in Ul Qoma war ein Kapitalverbrechen. Doch was nach unserer Überzeugung die erschwerende Verbindung zwischen den Vergehen gewesen war, hatte nie stattgefunden. Alle Grenzüberquerungen sahen den jüngsten Informationen zufolge absolut legal aus, alles geprüft, genehmigt und gestempelt. Auch wenn die Passierscheine gefälscht waren, handelte es sich um einen Fall illegaler Einreise, und das ist ein Vergehen, wie man es überall kennt. Einen Grenzbruch hatte es nicht gegeben.
 
    »Das ist

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