Die standhafte Witwe
eine Antwort ab, sondern lief zur Treppe. Johanna rannte hinter ihm her. »Ich habe ihr versprochen, daß sie hierbleiben kann«, rief sie.
Gabriel gab keine Antwort. Sie schob Dumfries aus dem Weg und jagte hinter ihrem Mann die Treppe hinauf.
»Was hast du vor?« wollte sie wissen.
»Ich will nur mit ihr reden, Johanna. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Sie ist noch zu schwach für eine lange Unterhaltung. Und vielleicht nimmt Vater MacKechnie ihr gerade die Beichte ab. Du solltest nicht stören.«
Der Priester öffnete gerade von innen die Tür, als Gabriel die Kammer erreichte. Er nickte Vater MacKechnie zu und ging an ihm vorbei. Johanna folgte ihm auf dem Fuß.
»Du wirst hier warten«, befahl Gabriel.
»Aber vielleicht hat sie Angst vor dir, Gabriel.«
»Dann muß sie eben Angst haben.«
Er schloß die Tür vor ihrer Nase. Johanna hatte keine Zeit, sich über das Verhalten ihres Mannes zu empören. Sie machte sich zuviel Sorgen um Clare.
Sie legte das Ohr an die Tür. Vater MacKechnie schüttelte den Kopf und zog sie fort.
»Laßt Euren Mann unter vier Augen mit ihr sprechen. Ihr solltet inzwischen wissen, daß unser Clansherr niemals einer Frau wehtun würde.«
»Oh, das weiß ich ja«, sagte Johanna hastig. »Aber Clare Mac Kay kann das doch nicht wissen!«
Darauf hatte der Priester keine Antwort. Johanna wechselte das Thema. »Habt Ihr Clare die Beichte abgenommen?«
»Ja.«
Johanna ließ die Schultern hängen. Vater MacKechnie fand diese Reaktion seltsam. »Die Beichte ist ein Sakrament«, erinnerte er seine Herrin. »Sie wollte Absolution.«
»Zu welchem Preis?« flüsterte Johanna.
»Ich verstehe Eure Frage nicht, Kind.«
»Die Buße«, brachte sie hervor. »Sie war sehr hart, nicht wahr?«
»Ihr wißt sehr gut, daß ich nichts über die Buße sagen kann«, antwortete er.
»Bischof Hallwick hat immer gern damit geprahlt!« sagte sie.
Der Priester wollte Beispiele hören. Das, was sie am meisten entsetzte, sparte sie sich für den Schluß auf. »Ein Bein für ein Ei«, sagte sie. »Als er meinem Mann die Strafe für ein Mädchen, das am Tisch bedient, erklärte, lachte der Bischof.«
Vater MacKechnie bombardierte sie mit Fragen, und als er genug Antworten hatte, schüttelte er den Kopf. »Ich schäme mich«, sagte er, »denn ich denke immer gerne, daß alle Priester gute Männer sind, die Gottes Werk auf Erden tun. Bischof Hallwick wird jedoch gewiß seine Taten bezahlen, wenn er eines Tages vor seinem Schöpfer steht.«
»Aber Vater, die Kirche steht doch hinter dem Bischof. Er holt seine Bußen aus dem guten Buch. Ja, es steht sogar drin, wie lang der Stock sein soll.«
»Wovon sprecht Ihr? Welcher Stock?« fragte der Priester nun durch und durch verwirrt.
Sie verstand nicht, wieso er so unwissend war. »Die Kirche diktiert, wie ein Mann seine Ehefrau zu behandeln hat«, erklärte sie ihm. »Eine unterwürfige Frau ist eine gute und heilige Ehefrau. Die Kirche billigt es, wenn Frauen geschlagen werden, ja, sie ermuntert die Männer sogar dazu, weil Frauen sonst versuchen würden, ihre Männer herumzukommandieren.«
Sie hielt inne, um tief einzuatmen. Dieses Thema brachte sie stets schrecklich auf, aber sie wollte dem Priester gegenüber ihre Empörung nicht zeigen. Er könnte sie fragen, was sie so wütend machte, und dann müßte sie eine düstere und schwarze Sünde gestehen.
»Natürlich billigt die Kirche keinen Mord. Ein Mann darf seine Frau nicht zu Tode prügeln. Ein Stock ist besser als die Faust. Er sollte aus Holz sein, kein Metall, und nicht länger als so.« Sie hielt die Hände als Maß auseinander.
»Wo habt Ihr denn solche Regeln gelernt?«
»Von Bischof Hallwick.«
»Nicht jeder in der Kirche glaubt …«
»Aber sie sollen es doch!« unterbrach sie, während sie heftig die Hände rang. Der Priester konnte nicht mehr übersehen, wie erregt sie war.
»Warum, meint Ihr?«
Warum verstand er es denn nicht? Immerhin war er ein Priester und sollte sich mit den Gesetzen, die Frauen unterdrückten, bestens auskennen.
»Weil Frauen in Gottes Gunst an letzter Stelle stehen«, flüsterte sie.
Vater MacKechnie versuchte, unbewegt auszusehen. Er nahm Johannas Arm und führte sie durch den Flur. Er wollte nicht, daß der Clansherr herauskam und seine Frau in solch einem aufgelösten Zustand sah.
Neben der Treppe befand sich eine Bank an der Wand. Der Priester setzte sich und klopfte einladend auf den Platz neben sich. Sie setzte sich schnell, hielt den Kopf
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