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Die standhafte Witwe

Die standhafte Witwe

Titel: Die standhafte Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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gesenkt und gab vor, eifrig die Falten ihres Plaids zu glätten.
    Vater MacKechnie wartete eine Weile, damit sie ihre Beherrschung wiedererlangte. Dann fragte er: »Woher wißt Ihr, daß Frauen in Gottes Liebe zuletzt stehen?«
    »Die Hierarchie«, sagte sie und zählte auf, was man ihr beigebracht hatte. Die ganze Zeit hielt sie den Kopf gesenkt und wagte nicht, den Priester anzusehen.
    Er lehnte sich an die Mauer. »Nun«, begann er, »Ihr habt mir eine lange Liste zum Nachdenken gegeben. Sagt mir eins, Johanna: Glaubt Ihr wirklich, daß dämliche Ochsen …«
    »Es sind dumme, Vater«, unterbrach sie.
    Er nickte. »Also gut. Glaubt Ihr wirklich, daß dumme Ochsen im Himmel einen höheren Platz einnehmen als Frauen?«
    Vater MacKechnie war so ein guter Mann. Sie wollte ihn nicht enttäuschen. Sie würde ihn aber dennoch nicht belügen, egal was für Folgen es haben mochte.
    »Nein«, flüsterte sie. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, um zu sehen, wie er darauf reagierte. Er sah nicht entsetzt aus. Sie holte tief Atem, dann brach es aus ihr heraus: »Ich glaube überhaupt nichts davon, Vater. Ich weiß, das ist Häresie, und bestimmt werde ich in der Hölle brennen.«
    Der Priester schüttelte den Kopf. »Ich glaube auch nicht daran«, sagte er. »Das ist Unsinn, den ein ängstlicher Mann erfunden hat!«
    Erstaunt lehnte sie sich nun ihrerseits zurück. »Aber die Kirche lehrt doch …«
    »Die Lehren werden von Männern ausgelegt, Johanna. Diese wichtige Tatsache dürft Ihr nicht vergessen.«
    Er nahm ihre Hand. »Ihr seid keine Ketzerin«, beruhigte er sie. »Und jetzt hört zu, was ich zu sagen habe. Es gibt nur einen Gott, Johanna, aber zwei Arten, zu ihm aufzuschauen. Es gibt die der Engländer und die der Highlander.«
    »Wo ist der Unterschied?«
    »Einige Engländer beten zu einem rachsüchtigen Gott«, erklärte der Priester. »Den Kindern wird die Furcht vor ihm eingetrichtert. Ihnen wird beigebracht, nicht zu sündigen, weil es im nächsten Leben schreckliche Vergeltung geben wird, versteht Ihr? Die Highlander sind anders, werden jedoch bestimmt nicht weniger von Gott geliebt. Wißt Ihr, was das Wort ›Clan‹ bedeutet?«
    »Kinder«, antwortete sie.
    Der Priester nickte. »Wir lehren unsere Kinder, Gott zu lieben, nicht zu fürchten. Hier vergleicht man ihn mit einem freundlichen, gutherzigen Vater.«
    »Und wenn ein Highlander sündigt?«
    »Wenn er bereut, wird ihm vergeben.«
    Sie dachte eine ganze Weile über seine Worte nach, bevor sie wieder sprach. »Dann bin ich nicht verdammt, nur weil ich nicht glauben kann, daß Gott die Frauen am wenigsten liebt?«
    Der Priester lächelte. »Nein, das seid Ihr nicht. Ihr seid genausoviel wert wie jeder Mann. Um ehrlich zu sein, Kind, glaube ich nicht, daß Gott eine Liste der Werte bei sich trägt.«
    Sie war so erleichtert, daß sie mit ihrer Meinung nicht allein und ebensowenig verdammt war, daß sie am liebsten geweint hätte. »Gott will bestimmt auch nicht, daß Frauen in die Unterwerfung geprügelt werden«, sagte sie leise. »Dennoch verstehe ich immer noch nicht, warum die Kirche so viele grausame Regeln gegen die Frauen aufgestellt hat.«
    Vater MacKechnie seufzte. »Es waren ängstliche Männer, die sie erfunden haben.«
    »Wovor haben sie denn Angst gehabt?«
    »Vor Frauen natürlich. Jetzt erzählt das bloß keinem weiter, Johanna, aber es gibt tatsächlich Männer Gottes, die Frauen für höhere Wesen halten. Sie wollen nicht, daß sie die Oberhand bekommen. Zudem glauben diese Männer, daß die Frauen ihren Körper einsetzen, um zu bekommen, was sie wollen.«
    »Das tun manche Frauen wahrscheinlich auch«, stimmte Johanna zu. »Aber nicht alle.«
    »Richtig«, stimmte der Priester zu. »Frauen sind gewiß die stärkeren Charaktere. Das kann wohl keiner bestreiten.«
    Johanna dachte, daß er einen Scherz machen wollte. »Wir sind nicht stärker«, protestierte sie lächelnd.
    »Doch«, entgegnete Vater MacKechnie. Ihr Lächeln war ansteckend, und er mußte grinsen. »Glaubt Ihr, Männer hätten mehr als ein Kind, wenn sie es gebären müßten?«
    Johanna lachte auf. Der Priester hatte ein unerhörtes Bild beschworen.
    »Frauen haben in dieser Welt ein hartes Schicksal«, fuhr der Priester fort. »Dennoch überleben sie und finden sogar noch Mittel und Wege, um in kärglichsten Verhältnissen zu erblühen. Und sie müssen viel klüger sein als Männer, um gehört zu werden.«
    Die Tür zu Clare MacKays Kammer öffnete sich, und Gabriel kam

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