Die standhafte Witwe
runzelte die Stirn. »Wieso wollt Ihr dann ein Mädchen? Ihr müßtet Angst haben, daß Euer Mann sie irgendeinem gemeinen Kerl gibt und sie den Rest des Lebens …«
»Angst hat?«
Clare nickte. »Und verletzt wird«, flüsterte sie.
»Mein Mann würde seine Tochter keinem Ungeheuer geben«, sagte sie. »Wußte Euer Vater, daß MacInnes so grausam ist?«
Clare zuckte die Schultern. »Er war nur daran interessiert, die beiden Clans zu vereinen.«
Johanna war entmutigt. »Liebt Euer Vater Euch?«
»So sehr wie jeder Vater eine Tochter liebt«, antwortete sie.
»Mädchen sind viel schlauer«, warf Johanna ein. »Sogar Vater MacKechnie glaubt das.«
»Trotzdem kann man sie schlagen und demütigen. Ihr wißt nicht, wieviel Glück Ihr habt, Lady Johanna. Euer Mann behandelt Euch gut.«
Johanna lehnte sich im Stuhl zurück. »Ich würde nicht bleiben, wenn er es nicht täte.«
Clare sah nicht so aus, als würde sie Johanna glauben. »Wie würdet Ihr denn gehen wollen?«
»Irgendwie findet man immer einen Weg«, sagte Johanna. »Clare, als ich in meiner ersten Ehe mit einem Engländer verheiratet war, habe ich jede Nacht gebetet, daß ich nicht schwanger werde. Ich wollte ihm kein Mädchen schenken, weil ich wußte, er würde es mißhandeln, wann immer er sich abreagieren mußte, und einen Jungen auch nicht, weil er ihn mir weggenommen und auf seine Art erzogen hätte. Ich wollte nicht, daß seine üble Einstellung zu Frauen auch noch vererbt würde, versteht Ihr?«
»Hat er Euch geschlagen?«
»Ja.«
»Wie ist der Engländer denn gestorben? Habt Ihr ihn getötet?«
Johanna war überrascht. Sie schüttelte den Kopf. »Es gab Zeiten, da ich ihn umbringen wollte, und wahrscheinlich muß ich in der Hölle brennen, weil ich es in Erwägung gezogen habe. Aber ich habe meiner Wut nicht nachgegeben. Ich wollte nicht werden wie er, Clare. Ich fühlte mich gefangen, ja, und dann erkannte ich, daß ich intelligent genug war, um zu gehen.«
»Wie ist er gestorben?«
»König John hat mir gesagt, er ist in der Nähe der Stadt auf dem Wasser von einer Klippe gestürzt. Ich wußte nicht einmal, daß er England verlassen hatte.«
Clare nickte nur, und Johanna beschloß, das Thema zu wechseln. »Glynis kommt in ein paar Minuten her, um Euer Haar einigermaßen in Ordnung zu bringen.«
»Wann kommt mein Vater?«
»Wir erwarten ihn heute nachmittag.«
»Ich will, daß mein Haar so bleibt. Es war so lang wie das Eure, bis sie es mir abgeschnitten haben. Mein Vater soll sehen, was die MacInnes-Leute mir angetan haben.«
»Was ist mit Eurer Mutter?«
»Sie ist tot«, antwortete Clare. »Nun schon seit vier Jahren. Ich bin froh, daß sie mich nicht mehr sehen kann. Es würde ihr das Herz brechen.«
»Das Baby, das Ihr in Euch tragt … wird Euer Vater …«
»Ich bin sehr müde, M’lady. Ich würde gerne etwas schlafen.«
Johanna sah Clare eine lange Weile an. Die MacKay-Frau schloß die Augen und tat so, als wäre sie eingenickt.
»Clare, du kannst es nicht länger für dich behalten«, sagte Johanna. »Du mußt über das reden, was geschehen ist.«
»Ich habe Schmerzen, Johanna. Habt Ihr … hast du kein Herz?«
»Ich weiß, daß du Schmerzen hast.«
»Dann bitte …«
»Clare«, unterbrach Johanna. »Mein Mann will unbedingt den Namen des MacBain-Soldaten wissen.«
»Ich werde ihn nicht verraten!«
Clare brach in Tränen aus. Johanna nahm ihre Hand. »Alles wird gut«, flüsterte sie. »Du brauchst keine Angst zu haben.«
»Du hast mir erzählt, du fühltest dich gefangen. Mir ging es genauso. Ich konnte diesen Bastard nicht heiraten. Es ging nicht. Dann habe ich etwas getan, von dem ich jetzt wünschte …«
»Ja?«
Clare schüttelte den Kopf. »Es spielt keine Rolle«, flüsterte sie. »Es wird sowieso noch früh genug rauskommen. Bitte laß mich jetzt in Ruhe. Ich bin noch nicht kräftig genug, um darüber zu reden.«
Johanna gab nach. Glynis klopfte von außen an die Tür und trat dann ein. Sie hatte eine Bürste und ihre Schere dabei.
»Laßt mich sehen, was ich tun kann«, sagte sie.
Johanna stand auf. »Clare möchte nicht, daß ihr Haar in Form geschnitten wird.«
»Wollt Ihr damit sagen, ich habe mir umsonst die Mühe gemacht, nach der Schere zu suchen?«
»Eigentlich nicht, Glynis. Ich könnte deine Dienste auch gebrauchen. Ich will mir schon lange das Haar schneiden lassen. Komm mit in mein Zimmer.«
Glynis freute sich. Trotzdem hatten sie und ihre Herrin einen Streit über die zukünftige
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