Die standhafte Witwe
Länge des Haars. Glynis wollte nicht soviel abschneiden, aber Johanna bestand darauf.
Als Glynis fertig war, reichten Johannas Haare nur noch bis auf die Schulter.
»Ich muß zugeben, daß Ihr ganz reizend ausseht, M’lady.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß sie so lockig werden.«
»Das Gewicht der Haare hat die Locken herausgezogen«, erklärte Glynis.
»Das Gewicht hat mir jeden Tag ziemliche Kopfschmerzen verschafft«, fügte Johanna hinzu. »Vielen, vielen Dank, Glynis.« Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und lachte. »Ich weiß nicht, wie es aussieht, aber es fühlt sich herrlich an.«
»Wird MacBain einen Anfall kriegen, wenn er sieht, was ich getan habe?« sagte Glynis grinsend.
»Ich bezweifle, daß er es überhaupt bemerkt.«
»Das wird er schon. Er bemerkt alles, was Euch betrifft. Wir müssen immer darüber lächeln, wie er Euch anstarrt. Er hat Euch sehr gern, M’lady.«
»Ich hoffe, er denkt daran, wenn ich heute abend am Tisch erscheine. Er wird nämlich garantiert wütend. Ich denke, alle werden sie etwas verstört wegen der Überraschung sein, die ich mir ausgedacht habe.«
Glynis’ Neugier war natürlich sofort geweckt. »Was habt Ihr denn vor?«
»Das kann ich dir nicht sagen«, gab Johanna zurück. »Du wirst abwarten müssen.«
Glynis bedrängte ihre Herrin noch ein paar Minuten, bevor sie aufgab. »Wollt Ihr jetzt runtergehen? Ich nehme Euren Arm und passe auf, daß Ihr nicht stürzt.«
»Ich bleibe hier oben. Könnte ich vielleicht deine Schere ausleihen? Ich gebe sie dir am Abend zurück.«
»Behaltet sie hier«, sagte Glynis. »Wenn Clare sich doch entschließt, sich die Haare schneiden zu lassen, weiß ich, wo ich suchen muß. Einen schönen Tag, M’lady.«
Glynis griff nach dem Türriegel, als Johanna sie zurückhielt.
»Haben alle Frauen die gleichen Anzeichen, wenn sie schwanger sind?«
»Die meisten. Warum fragt Ihr?«
»Nur so«, antwortete Johanna. »Wann sieht man denn etwas?«
»Kommt drauf an«, überlegte Glynis. »Bei einigen im vierten Monat, andere werden erst im fünften Monat dicker. In der Taille macht es sich zuerst bemerkbar. Geht Eure auseinander?«
»Ja«, gab Johanna zurück.
Sie dankte Glynis noch einmal, und sobald die Tür zu war, machte Johanna sich an die Vorbereitung ihrer Überraschung. Sie breitete das MacBain-Plaid der Länge nach auf dem Bett aus und schnitt es in der Mitte durch. Dasselbe machte sie mit dem Maclaurin-Plaid. Dann setzte sie sich aufs Bett und nähte die beiden Hälften zusammen. Als sie fertig war, konnte man unmöglich sagen, wo das Maclaurin-Plaid endete und die MacBains-Farben begannen.
Keith würde vermutlich eine Woche das Bett hüten müssen, wenn er sah, was sie getan hatte. Johanna wußte, daß sie einen Aufruhr erzeugen würde, aber es kümmerte sie nicht. Es war höchste Zeit, daß beide Clans ihre Differenzen beilegten und unter Gabriels Führung ein für allemal zu einem Clan wurden.
Johanna faltete die übrigen Stoffstreifen zusammen und packte sie unter das Bett. Auch das neue Plaid versteckte sie dort. Sie würde es erst zum Abendessen tragen.
Als sie alles erledigt hatte, gähnte sie. Sie konnte ein wenig Schlaf gebrauchen. Sie zog ihr Plaid aus, legte es mit dem Gürtel über den Hocker und streckte sich auf dem Bett aus. Sie wollte sich nur wenige Minuten ausruhen.
Johanna dachte an Clare MacKay. Die Frau hatte ihr sagen wollen, daß sie etwas getan hatte, doch schließlich ihre Absicht geändert. Und sie hatte schrecklich verängstigt ausgesehen.
Sie war wirklich ein Rätsel. Was hatte sie damit sagen wollen, daß mit der Zeit sowieso alles rauskommen würde?
Johanna schlief drei Stunden lang. Als sie die Augen öffnete, fand sie Alex tief schlafend neben ihr. Er lag auf ihrem Arm und ließ sich nicht stören.
Trotzdem setzte sie sich vorsichtig auf, um ihn nicht zu wecken, und wäre fast in lautes Lachen ausgebrochen: Am Fuß des Bettes lag Dumfries und schlief genauso fest.
Sie konnte den Hund nicht vom Bett werfen, ohne Alex zu wecken. Sie schlüpfte aus dem Bett und wusch sich. Die Wellen der Übelkeit, die sie immer wieder überschwemmten, zogen die simple Handlung ins Unendliche, denn sie mußte sich mehrmals setzen und warten, bis sie sich wieder besser fühlte.
Gabriel öffnete die Tür, als sie ihren Gürtel festband. Er sah seinen schlafenden Sohn und winkte Johanna mit dem gekrümmten Finger, in die Halle zu kommen. Er starrte sie düster an und runzelte mißfallend die
Weitere Kostenlose Bücher