Die standhafte Witwe
Selbstbeherrschung ganz zu verlieren, konnte er gerade noch eines denken: Es war eine Qual, miteinander zu schlafen, ohne ein Geräusch machen zu dürfen, und er würde verdammt froh sein, wenn sein Sohn in die andere Kammer umziehen konnte.
Danach kuschelte sich seine Frau an ihn, was ihm besonders gut gefiel. Teufel, mir gefällt alles an meiner Frau besonders gut, dachte er mit einem Lächeln.
»Gabriel?«
»Was ist?«
»Ich muß dir etwas sagen«, flüsterte sie in die Dunkelheit. »Ich weiß, warum König John Raulf loswerden will.«
»Schlaf jetzt, Johanna. Wir können morgen darüber reden.«
»Ich will jetzt.«
Er gab nach. »Also gut«, willigte er ein. »Aber wenn du anfängst, dich aufzuregen, verschieben wir es auf morgen.«
Sie ignorierte seine Einschränkung. »Ich wollte es dir schon früher sagen«, begann sie.
»Du wolltest es Nicholas erzählen, richtig?«
»Ja. Warum hast du mich daran gehindert?«
»Weil Nicholas nicht nur dein Bruder, sondern auch ein englischer Baron ist. Wenn er beunruhigende Neuigkeiten über seinen Lehnsherrn hört, könnte er sich gezwungen sehen, etwas zu unternehmen. Niemand wird John im Moment entthronen. Und wenn Nicholas es versucht, wird er wahrscheinlich getötet werden.«
Sie hatte darüber noch gar nicht nachgedacht. Nun war sie froh, daß Gabriel sie nicht hatte erzählen lassen, was sie zu sagen hatte.
»Wie bist du darauf gekommen, daß –«
Er ließ sie nicht ausreden. »Ich muß dich eine Sache fragen, Johanna. Die Antwort wird dieses Zimmer nicht verlassen.«
»Ich sage dir alles, was du wissen willst.«
»Hat der König Arthur getötet, oder war es Raulf?«
Sie zögerte keine Sekunde. »Ich glaube Raulf, aber der Befehl kam von John.«
»Bist du sicher?«
»O ja«, flüsterte sie. »Ich bin sicher.«
Sie war so erleichtert, die Last, die sie jahrelang mitgeschleppt hatte, teilen zu können, daß Tränen in ihre Augen schossen.
»Und wie bist du zu diesem Wissen gekommen?«
»Ich habe es gehört, als der Bote des Königs den Befehl verlas«, erklärte sie. »Raulf wußte nicht, daß ich zuhörte, aber der Bote entdeckte mich in der Tür. Ich habe keine Ahnung, ob er es Raulf gesagt hatte oder nicht, ganz gewiß aber dem König. Raulf verließ die Burg kurz vor Ostern. Er kam erst in der Mitte des Sommers zurück. Einen knappen Monat später hörte ich das Gerücht, daß Arthur verschwunden war. Jahre später, nachdem man mir gesagt hatte, daß Raulf tot war, wurde ich nach London gerufen, wo man mich hinter Schloß und Riegel hielt. John kam mich ab und zu besuchen, und jedesmal sprach er das Thema Arthur an.«
»Er wollte herausfinden, was du wußtest«, spekulierte Gabriel.
Johanna nickte. »Natürlich tat ich so, als wüßte ich gar nichts.«
»Wer war der Bote, den der König damals zu Raulf geschickt hatte?«
»Baron Williams«, antwortete Johanna. »John hätte nie jemanden von seinem Hof betraut. William und Raulf waren seine engsten Vertrauten. Doch die beiden mißtrauten sich gegenseitig.«
»Du hattest verdammtes Glück, daß der König dich nicht umgebracht hat. Wieso hat er dich bloß mit diesem Wissen leben lassen?«
»Weil er nicht sicher war, ob ich überhaupt etwas mitbekommen hatte«, erklärte sie. »Im übrigen wußte er, daß ich nicht gegen ihn aussagen konnte. Frauen dürfen keine Anklage erheben, höchstens ihre Männer an ihrer Stelle, und das auch nur bei wenigen Dingen.«
»Baron Goode glaubt, daß du etwas weißt, nicht wahr? Deswegen versuchte er, mit dir zu reden.«
»Ja«, gab sie zurück. »Jeder Baron weiß von der Beziehung zwischen John und seinen beiden Vertrauten, Raulf und Williams. Wie wir inzwischen erfahren haben, hat Raulf England verlassen, kurz bevor Arthur verschwand. Goode vermutet, daß es zwischen den beiden eine Verbindung gibt. Wahrscheinlich will er mich zu den Zeiten und Daten befragen. Er kann nicht wissen, daß ich den Boten damals belauscht habe.«
»Du mußt mir jetzt genau zuhören«, sagte Gabriel eindringlich. »Du wirst niemanden erzählen, was du gehört hast, versprichst du? Nicht einmal deinem Bruder. Gib mir dein Wort, Johanna.«
»Aber mit einer Person muß ich unbedingt sprechen«, flüsterte sie.
»Mit wem?«
»König John.«
Er konnte sich gerade noch beherrschen, sonst hätte er gebrüllt. »Kommt überhaupt nicht in Frage.«
»Ich glaube, ich kann ihn zur Vernunft bringen. Das ist die einzige Möglichkeit, Gabriel. Ich will keinen Krieg.«
Gabriel
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