Die standhafte Witwe
sie für die Unterbrechung.
»Kommt und setzt Euch zu uns«, brüllte Gabriel.
»Schön, Euch wiederzusehen«, rief Nicholas im gleichen Moment.
Wenn der Priester überrascht von der begeisterten Begrüßung durch die beiden Krieger war, so ließ er sich nichts anmerken.
»Ich habe schon gehört, daß Ihr wieder hier seid, Nicholas«, sagte Vater MacKechnie. »Wolltet Ihr nach Eurer Schwester sehen? Wie Ihr bemerken werdet, ist sie sehr glücklich.«
»Bist du nur deswegen den ganzen Weg gekommen?« fragte Johanna.
Sie fand es zwar selbst gemein, aber sie genoß das Unbehagen ihres Bruders. Wie man aus seiner Miene schließen durfte, fiel es ihm schwer, sie zu belügen.
Gabriel rettete ihn. »Habt Ihr schon gegessen, Vater? Johanna, wo sind denn deine Manieren geblieben? Bitte die Diener, dem Mann etwas zu geben.«
»Danke, ich hatte schon«, wehrte der Priester ab. Er setzte sich neben Johanna, lehnte auch die Getränke ab und ließ sich statt dessen über Auggies neueste Brauerfolge aus.
»Es hat wirklich Feuer«, verkündete er. »Ein Kelch davon, und man könnte über den Platz fliegen.«
Johanna mußte über die Übertreibung lachen. »Nun, es wird uns wärmen, wenn die langen …« Der Priester unterbrach sich hastig, denn er hatte über die langen, kalten Winternächte sprechen wollen. »Wenn dann noch etwas da ist«, wich er aus.
»Lange was?« fragte Johanna.
»Lange, warme Winternächte«, brummelte der Priester mit einem biestigen Blick in Nicholas’ Richtung. Er war Johannas Bruder immer noch böse, daß dieser ihr die Lüge über das warme Klima der Highlands erzählt hatte.
Nicholas war verblüfft, daß niemand Johanna bisher aufgeklärt hatte, und hätte fast laut losgelacht, fing sich aber noch rechtzeitig.
»Nicholas, weißt du, daß sich das Wetter ganz merkwürdig verhält, seit ich hier angekommen bin? In einigen Nächten ist es richtig kalt.«
»Nay, Frau, es ist nicht kalt«, bestritt Gabriel.
»Hör mal, Johanna …«, begann Nicholas.
»Sagst du mir jetzt, warum du hergekommen bist, Nicholas? Es muß ja offenbar irgendein Problem geben, sonst hättest du gewartet, bis du Mutter hättest begleiten können, Nicholas.«
»Ja, warum seid Ihr hier, Sohn?« wollte nun auch der Priester wissen.
Nicholas hatte echte Mühe, sich eine Antwort auszudenken. »Es ist das Wetter«, verkündete er nach einer Weile Schweigen. »Ich konnte nicht mehr mit dieser Lüge leben, Johanna. Ich bin gekommen, um dir die Wahrheit zu sagen.«
Johannas lautes Gelächter deutete an, daß sie ihm nicht glaubte. Doch nun hatte er sein Märchen einmal begonnen und wollte verdammt sein, wenn er sich ablenken ließ.
»Ich habe dich belogen. Da, jetzt ist es raus. Deswegen bin ich gekommen.«
»Du meinst, du hast mich, was das Wetter betrifft, belogen?«
Nicholas grinste. Ihr Lachen war ansteckend, ihre Klugheit nicht minder erfreulich. Langsam dämmerte es ihm, daß sie die Lüge schon etwas länger durchschaut hatte.
Er beugte sich vor und zeigte mit dem Finger auf sie. »Du hast es gewußt … die ganze Zeit schon, nicht wahr?«
Sie nickte. »Ich trage ein Wollplaid, Nicholas. Natürlich weiß ich es.«
»Dann wußtet Ihr jedesmal, wie es wirklich war, als Ihr uns weismachtet, Ihr fändet das Klima ungewöhnlich kalt?«
Der Priester hörte sich richtig entsetzt an. Johanna nickte wieder. »Es war so nett, daß Ihr die Lüge aufrechterhalten habt. Ich weiß, Ihr hattet nur mein Wohlbehagen im Sinn, Vater.«
»Du hast einen merkwürdigen Sinn für Humor, Frau«, bemerkte Gabriel.
»Er ist so verbogen wie ein Schild, der zu lange benutzt worden ist«, stimmte Nicholas zu.
Sie mußte wieder lachen, und die Männer schlossen daraus, daß sie nicht beleidigt war.
Dann gähnte sie und entschuldigte sich sofort. Gabriel befahl ihr, ins Bett zu gehen.
»Zuerst muß ich noch mit euch allen reden«, sagte sie. »Dann geh’ ich ins Bett.«
»Und worum geht es?« fragte Nicholas.
»Ich helfe gerne, wenn ich kann«, versprach der Priester.
»Ich habe ein Problem«, begann Johanna.
»Nun sagt uns doch schon, um was es sich handelt«, hakte der Priester nach.
Johanna starrte Gabriel an, als sie antwortete. »Es sieht so aus, als hätte ich zwei Ehemänner.«
KAPITEL 19
»Du hast nur einen Mann, Johanna.«
Gabriels Tonfall ließ keine Widerrede zu. Sie griff seine Hand und nickte.
»Du hast gelauscht, als ich deinem Mann von Raulf erzählte, stimmt’s?« fragte Nicholas.
»Ja«, gab Johanna
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