Die standhafte Witwe
stolz ist, Kind«, erklärte der Priester. »Mut, die Treue zu seinem Anführer und Ausdauer.«
»Kein Krieger möchte im Bett sterben«, warf Gabriel ein.
»Das würde als Sünde betrachtet werden«, sagte der Priester.
Sie ließ die Nadel fallen und sah die Männer an. Sie war sicher, daß sie sich über sie lustig machten. Beide sahen jedoch so aus, als ob sie es ernst meinten. Trotzdem war sie noch nicht überzeugt. »Was für eine Sünde soll das denn sein?« fragte sie mit deutlichem Mißtrauen.
»Faulheit«, sagte Gabriel.
Sie hätte fast geschnaubt, konnte sich jedoch noch rechtzeitig beherrschen. »Ihr müßt mich für sehr naiv halten, wenn ihr glaubt, ich nehme euch die Geschichte ab«, schnappte sie.
»Aye, du bist naiv, Johanna, aber wir machen uns nicht über dich lustig. Wir halten es wirklich für eine Sünde, in unserem Bett zu sterben.«
Sie schüttelte den Kopf, um ihm zu zeigen, daß sie nichts von diesem Unsinn glaubte, und machte sich wieder an ihre Stickerei. Der Priester fuhr mit seiner Berichterstattung fort, doch Gabriel hatte Schwierigkeiten, ihm zuzuhören. Sein Blick schweifte immer wieder zu seiner Frau.
Sie verzauberte ihn. Zufriedenheit, wie er sie noch nie zuvor empfunden hatte, erfüllte sein Herz. Als er noch sehr jung, unerfahren und ganz allein gewesen war, hatte er sich vor dem Einschlafen immer seine Zukunft ausgemalt. Er hatte von der Familie geträumt, die er einmal haben würde. Seine Frau und seine Kinder würden nur ihm gehören und natürlich in seiner Burg wohnen. Oft hatte er sich vorgestellt, wie seine Frau am Feuer saß und eine Frauenarbeit ausführte … so wie Nähen und Sticken zum Beispiel.
Die Bilder, die er als Kind heraufbeschworen hatte, hielten die rauhe Wirklichkeit seines kargen Lebens davon ab, ihn zu zerbrechen. Die Träume ließen ihn überleben.
Ja, er war damals schrecklich jung und zart gewesen. Die Zeit und die Erfahrung hatten ihn jedoch abgehärtet, und er war aus dem Bedürfnis nach solch dummen Träumen herausgewachsen. Er empfand nicht mehr den Wunsch, zu jemandem zu gehören. Er hatte gelernt, sich allein auf sich selbst zu verlassen. Träume waren etwas für Schwächlinge. Aye, er war nun stark und unerreichbar, und die Träume waren so gut wie vergessen. Dachte er.
Bis jetzt. Die Erinnerungen kamen zurückgeflutet, während er seine Frau beobachtete.
Die Wirklichkeit war tausendmal schöner, als seine Jungenträume es jemals waren. Er hatte sich nie vorgestellt, eine so schöne Frau, wie Johanna es war, zu haben. Er hatte nicht gewußt, was Zufriedenheit war, wie er für sie empfinden würde oder wie stark sein Bedürfnis war, sie vor allem zu beschützen.
Johanna sah zufällig auf und ertappte ihren Mann dabei, wie er sie anstarrte. Seine Miene verwirrte sie. Er schien durch sie hindurchzusehen, als hinge er wichtigen Gedanken nach. Aye, er mußte an etwas Unangenehmes denken, denn sein Gesicht hatte einen wilden, harten Ausdruck angenommen.
»Ich könnte ein Schlückchen uisgebreatha vertragen«, verkündete Vater MacKechnie. »Und dann werde ich schlafen gehen. Herr im Himmel, bin ich müde heute.«
Johanna sprang auf, um den Wunsch des Priesters zu erfüllen. In dem Regal an der Wand hinter Gabriel stand ein Krug mit dem Highland-Brand, und Johanna holte ihn und goß etwas davon in den Kelch des Priesters.
Sie wollte als nächstes ihrem Mann einschenken, doch er lehnte mit einer Geste ab.
Vater MacKechnie nahm einen tiefen Schluck und zog prompt eine Grimasse. »Ich wette, der ist höchstens eine Woche alt«, beklagte er sich. »Er schmeckt wie Waschwasser.«
Gabriel lächelte. »Ihr müßt Euch bei Auggie beschweren. Das Getränke kommt aus seinem Kessel.«
Bei der Bemerkung des Priesters über das Alter war Johanna neugierig geworden. »Ist es denn wichtig, wie lange das Gebräu reift?«
»Es altert, Kind«, berichtigte der Priester sie. »Es reift nicht. Und ja, es ist wichtig. Je länger, desto besser sagen einige, die es wissen müssen.«
»Wie lange?« wollte sie wissen.
»Nun, am besten zehn oder zwölf Jahre und dann in Eichenfässern«, gab Vater MacKechnie an. »Ein Mann braucht schon viel Geduld, um so lange auf einen Schluck zu warten.«
»Ist das Getränk dann wertvoller?«
Johanna stellte den Krug auf den Tisch. Sie stand neben ihrem Mann und wartete darauf, daß der Priester austrank und ihr antwortete.
Plötzlich legte sie ihre Hand auf seine Schulter. Ihre Augen waren konzentriert auf den Priester
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